
Guten Morgen, liebe Leser!

Ab und zu trinke ich meinen Espresso im Café gleich neben unserer Redaktion in Jerusalemer Stadtzentrum. Meistens sitzen dort junge Menschen, Studenten der Kunstakademie Bezalel, die auf der anderen Straßenseite liegt.
Letztens habe ich ein Gespräch von zwei weißgekleideten Amerikanern am Nebentisch überhört, die mit einem jungen Israeli auf Englisch über den Messias sprachen. Sie hatten redlich Mühe, dem Juden am Tisch zu erklären, weshalb Jesus der jüdische Messias ist und nicht jemand anders. Dem Juden war es grundsätzlich egal, wie der Messias heißt, Hauptsache er kommt und erlöst das Volk Israel.
Die Diskussion faszinierte mich, daher nahm ich mir etwas Zeit und spitzte meine Ohren. Der junge Israeli war schon von vornherein von Jesus begeistert gewesen, und das wahrscheinlich weniger aufgrund dessen, was er am Tisch von den Amerikanern hörte, sondern eher von dem, was er zuvor im Neuen Testament gelesen hatte. Das, was er gelesen hatte, hinterließ bei ihm (und sogar bei mir) mehr Eindruck über die biblische Figur Jesus, als das, was er von den zwei „Propheten“ am Tisch zu hören bekam.
Dieser Eindruck drängte sich jedenfalls bei mir auf, da man auch zwischen den Zeilen lesen kann. Der junge Israeli wusste über der Liebe Jesu Bescheid und erzählte seinen Gesprächspartnern, was für eine einmalige Botschaft Jesus dem Volk gebracht hatte. Das Gespräch zwischen den dreien war offen und direkt. Der Ami mit dem langen Bart war wahrscheinlich die Schlüsselfigur im Duo. An einem anderen Tisch hörte ich, dass die beiden Amis mit Mose und Aaron verglichen wurden oder ihrem Erscheinungsbild nach sogar mit Messiassen.
Menschen, die in Jerusalem wohnen und leben, sehen oft Fremde auf den Straßen, die sich die Mode von vor 2000 Jahren zu eigen machen und mit ihrer Verkleidung Aufmerksamkeit im Stadtzentrum erregen. Seit immer mehr Touristen in den letzten Monaten im Land zu sehen sind, sieht man wieder mehr „Jeremias, Jesajas und Hesekiels“ auf den Straßen, so wie man sie unter uns in Jerusalem nennt.
Video: Eine Äthiopierin, die am Cafè Bezalel vorbeigeht, ruft Menschen zur Buße auf und Jesus als den Messias des jüdischen Volkes aus. Die Menschen um sie herum haben vor allem Mitleid mit der jungen Frau. Von Jesus hat wohl keiner etwas mitbekommen.
In der Heiligen Stadt begegnet man nicht selten Touristen, die in Jerusalem plötzlich von der Idee befallen werden, sie seien eine biblische oder messianische Figur. Entweder König David oder Jesus, Johannes der Täufer, Jeremia oder die „Mutter Gottes“ Maria. Ja, sogar Gott selbst. Beim Besuch in Jerusalem vermischen sich Fantasie und Realität. In einem Bonmot unter Psychiatern heißt es: Sprichst du zu Gott, so betest du. Doch wenn Gott hörbar antwortet, bist du verrückt. Und es scheint, als wäre Gott in Jerusalem vor allem um die Osterzeit und zu Weihnachten sowie um das jüdische Pessachfest besonders gesprächig. Das Jerusalem-Syndrom ist keine Krankheit, sondern israelischen Psychiatern zufolge eher ein Phänomen.
Zurück zum Tisch neben mir. Die beiden weißgekleideten Amis haben sich zwar nicht als Jesus oder Propheten ausgegeben, aber sie bestanden darauf, Boten Gottes zu sein. Gott habe sie gerufen, Urlaub in Jerusalem zu machen und Juden von Jesus zu erzählen, also zu missionieren. An dieser Straßenecke ist dies eigentlich auch kein Problem, denn die jungen Israelis sind in diesem Viertel offen und liberal. Aber in Jerusalems orthodoxen Wohnvierteln wie Mea Schearim oder Geula, die ihr vielleicht von der israelischen Netflix-Serie Stisel kennt, müssten die Beiden die Beine in die Hand nehmen.

Die beiden Amis erzählten dem Israeli, dass der Messias auf einem weißen Esel zurückkehren und das Volk Israel erlösen wird. Der Israeli war anderer Meinung und sagte, dass der Messias mit einem weißen Cadillac durch die Straßen Jerusalems fahren wird. Mein Espresso war mittlerweile schon kalt, denn ich hatte ihn über dem interessanten Schlagabtausch fast vergessen.
Egal wie das Gespräch ausgegangen ist, eines kann man festhalten: In Jerusalem treffen sich besondere Menschen und dies macht Jerusalem zur einzigartigen Stadt, auch im Café an der Straßenecke gleich neben unserer Redaktion. Ein paar Tage später sah ich übrigens in der Jerusalemer Fußgängerzone wieder einen weißgekleideten Touristen, mit einer Gitarre auf dem Rücken, er zog einen weißen Trolley hinter sich her. Gott und Jesus waren überall auf seinen weißen Kleidern abgedruckt oder aufgeklebt. Wenige Tage danach sah ich denselben Mann auf einer blauen Matratze. Willkommen in Jerusalem.

Das Wetter für heute in Israel
Sommerlich warm. Für heute werden folgende Höchsttemperaturen erwartet: Jerusalem 31 Grad, Tel Aviv 31 Grad, Haifa 30 Grad, Tiberias am See Genezareth 39 Grad, am Toten Meer 40 Grad, Beersheva 36 Grad, Eilat am Roten Meer 41 Grad. Der Wasserpegel des See Genezareth ist seit gestern um einen weiteren halben Zentimeter gesunken und liegt jetzt bei -209.41 m unter dem Meeresspiegel. Es fehlen 0,61 Meter bis zur obersten Grenze.
Die Redaktion von Israel Heute wünscht allen Lesern einen angenehmen Mittwoch. Machen Sie es gut!
Schalom aus Jerusalem!
Israel Heute Mitgliedschaft
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Nur Mitglieder können Kommentare lesen und schreiben.