Massenkundgebung und wer gehört ins Haus Gottes

Alle sind gespannt, wie groß die geplante Millionenkundgebung heute Abend in Jerusalem sein wird. Wie viele Menschen werden tatsächlich nach Jerusalem pilgern, um die Regierung und ihre Pläne zu unterstützen?

von Aviel Schneider | | Themen: Jerusalem, Justizreform
Wie viele Unterstützer kann Premierminister Netanjahu heute Abend versammeln? Olivier Fitoussi/Flash90
Wie viele Unterstützer kann Premierminister Netanjahu heute Abend versammeln? Olivier Fitoussi/Flash90

Die Luftaufnahmen der Demonstration werden die politische Zukunft Israels mitbestimmen. Werden die orthodoxen Juden ebenso an der Massenkundgebung in Jerusalem teilnehmen oder verbieten ihre Rabbiner die Teilnahme? Wer gehört ins Haus Gottes? So oder so, die Massenkundgebung der rechten Wähler ist wie ein Wettrennen mit den wöchentlichen Protesten der Reformgegner im Land. Welcher Protest sieht von oben gewaltiger aus? Doch unten verursachen die Proteste auf beiden Seiten eine tiefe Kluft im Volk.

Dieser Protest wurde vor etwa vier Wochen ausgerufen, um eine breite öffentliche Unterstützung für den umstrittenen Plan zur Überarbeitung des Rechtssystems zu demonstrieren. Die Rechtsreform hatte angesichts des heftigen Widerstands und der landesweiten Proteste den Höhepunkt erreicht, als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen Verteidigungsminister Yoav Gallant feuerte, der vor sicherheitspolitischen Auswirkungen der Vorschläge gewarnt hatte und zum Stopp der Rechtsreform aufrief. Mehrere Umfragen in den letzten Wochen haben gezeigt, dass die Reformen im Rechtssystem in seiner jetzigen Form unpopulär sind. Seit fast vier Monaten versammeln sich Demonstranten gegen die Pläne, die, wenn sie umgesetzt werden, fast alle Richterernennungen unter die Kontrolle der Regierung stellen und die Aufsichtsbefugnisse des Obersten Gerichtshofs radikal bremsen würden. Kritiker befürchten, dass damit die Macht der Justiz in die Hände der Regierung fällt.

Die heutige Massenkundgebung vor dem israelischen Parlament und dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem ist ein öffentlicher Ausdruck der Legitimität für das Vorhaben seiner Regierungskoalition, Israels Justizsystem umzustellen. Zu den Organisatoren der Massenkundgebung gehört auch Israels Justizminister Yariv Levin, der gestern Abend alle religiösen, orthodoxen und Likudwähler aufgerufen hat, heute an der Massenkundgebung in Jerusalem teilzunehmen. „Wir müssen eine laute Stimme ausrufen, für die Rechtsreform, für eine wahre Demokratie und für Gerechtigkeit. Daher kommt nach Jerusalem, wir sehen uns in der Demonstration“, unterstrich Levin in seinem 30-Sekunden-Film in den sozialen Netzwerken.

Die Organisatoren versprachen, die Kundgebung werde die größte Demonstration in Israels Staatsgeschichte sein. Damit soll die Koalition ermutigt werden, die Justizreform nicht aufzugeben. „Ihr habt ein Mandat in den letzten Wahlen erhalten, die Ungerechtigkeit zu korrigieren! Wir werden keine Bürger zweiter Klasse sein!“, betonen die Organisatoren. Rechte Politiker, ob aus der Likud oder der orthodox-sephardischen Schas-Partei hängen die Uneinigkeit im Volk ans Schild der Diskriminierung orientalischer Juden im Land, die über Generationen hinweg von der so genannten aschkenasischen Elite im Land, darunter das Rechtssystem, vernachlässigt wurden. Zum Teil haben sie recht, aber in den letzten 20 bis 30 Jahren haben hauptsächlich nur rechte Regierungskoalitionen im Land geherrscht, am längsten Benjamin Netanjahu, und auch in dieser Zeit hat sich zu Gunsten der sephardischen Juden in der Peripherie nicht viel verändert.

Ultraorthodoxe Zeitung verbietet seinen Mitgliedern an der Demo teilzunehmen.
Ultraorthodoxe Zeitung verbietet seinen Mitgliedern an der Demo teilzunehmen.

Im Moment sind nicht alle Rabbiner mit der Teilnahme an der Massenkundgebung der rechtsnationalen und orthodoxen Wähler einverstanden. „Auch wenn wir den politischen Kampf gegen Israels Obersten Gerichtshof unterstützen, so sagen wir ganz deutlich, wer heute Abend an der rechten Massenkundgebung teilnimmt, entfernt sich aus dem Lager Gottes“, hieß heute die Schlagzeile der ultraorthodoxen Zeitung Jeted Neeman. „Damit wird ihm die Bürgerschaft im Hause Gottes genommen. Sein Reisepass ist damit ungültig geworden. Wir dürfen keinen bösen Geist in unserem Volk verbreiten.“ Ihre Vertreter, die Vereinte Torah Partei sind Verbündete der rechtsnationalen Koalition und gehören der aschkenasischen Orthodoxie im Land an. Die sephardische Orthodoxie ist anderer Meinung und ruft zur Teilnahme an der Massenkundgebung heute Abend in Jerusalem auf, darunter auch Rabbi Meir Mazuz und viele andere Rabbiner. Aus ihrer Sicht ist die Teilnahme wichtig und keiner wird deswegen aus dem Haus Gottes vertrieben.

Rabbi Mazuz ruft zur der Teilnahme der Demo auf.
Rabbi Mazuz ruft zur Teilnahme an der Demo auf.

Was heute Abend in Jerusalem passieren wird, wird seine politischen Auswirkungen in der bevorstehenden Knesset im Sommer haben, die Ende April eröffnet wird. Wenn es tatsächlich zu einer ungewöhnlichen großen Demonstration kommt, dann wird damit heftiger Druck auf Benjamin Netanjahu ausgeübt, die Rechtsreform trotz gewaltiger Kritik zu Ende zu führen. Das wird für Netanjahu nicht leicht sein, denn er will keine einseitige Rechtsreform durchsetzen, sondern nur in breiter Vereinbarung. Sein Justizminister Levin ist derjenige, der um jeden Preis zur Vervollständigung der Rechtsreform drängt, auch wenn „damit das gesamte Volk in den Abgrund gerissen wird“. Dies haben seine Kollegen in der Likudpartei erklärt, die seine Obsession nicht verstehen, die Netanjahu und die Regierung in Gefahr bringt. Aus diesem Grund ist die Likud in allen Umfragen im Land gefallen. Umfragen zufolge wäre die Koalition, wenn heute die Wahlen stattfinden würden, in der Opposition. Wir müssen also abwarten und beobachten, wie die Kundgebung heute Abend in Jerusalem verlaufen wird. Wir sind dabei.

 

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Eine Antwort zu “Massenkundgebung und wer gehört ins Haus Gottes”

  1. Serubabel Zadok sagt:

    Justizminister Levin hat Recht
    Die Justizreform muss umgesetzt werden. Wem das nicht passt, soll das Land verlassen.

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