
Anmerkung der Redaktion: Der Morgenartikel von Michael Selutin wurde vor den tragischen Ereignissen der vergangenen Nacht geschrieben.
Guten Morgen liebe Leser!
Am zweiten Tag von Pessach beginnen Juden mit der Zählung des Omer, bis 50 Tage später Schawuot gefeiert wird, wo wir den Erhalt der Thora am Sinai feiern. Der Omer ist eine Maßeinheit, in der zur Zeit des Tempels die erste Gerste des Jahres nach Jerusalem gebracht wurde. Die erste Omerzählung fand jedoch bereits nach dem Auszug aus Ägypten statt, und das Zählen der Tage bis Schawuot symbolisiert die Vorbereitung des Volkes Israel auf den Empfang der Thora am Sinai. Heute haben wir keinen Tempel mehr und können den Omer nicht mehr zu den Priestern bringen, abgesehen davon weiß ich nicht einmal, ob Gerste überhaupt in Israel angepflanzt wird. Auch haben wir die Thora schon erhalten, aber wir können die Omerzählung trotzdem nutzen, um uns auf Schawuot vorzubereiten, denn der Auszug aus Ägypten steht für eine Befreiung aus dem Materialismus. Die Zählung der 49 Tage vor Schawuot steht demnach für eine schrittweise Bewegung in Richtung Geistlichkeit, was es uns erst ermöglicht, die Thora aufzunehmen. Denn ein Mensch, der eine materialistische Sicht auf die Welt hat, ist nicht in der Lage, die spirituelle Dimension der Welt und der Thora zu erkennen.
Zu Zeiten des Tempels waren diese 49 Tage eine Zeit der Freude, aber nachdem im ersten Jahrhundert der allgemeinen Zeitrechnung 24.000 Schüler des Rabbi Akiva an einer geheimnisvollen Plage gestorben waren, wurde aus der Omerzeit eine Trauerperiode. Es ist Brauch, sich nach Pessach die Haare und den Bart nicht zu schneiden und auch keine Musik zu hören. Hochzeiten werden nicht in diese Zeit gelegt und allgemein ist die Stimmung etwas gedämpft. Für mich ist es ziemlich schwer, keine Musik zu hören, ich kann mich besser konzentrieren, wenn ich bei der Arbeit Musik höre und auch beim Autofahren fehlt es mir sehr. Noch schlimmer ist es jedoch, dass ich mich nicht rasiere. Es ist bereits heiß in Israel und mit meinem Bart habe ich das Gefühl, einen dicken Pulli im Gesicht zu tragen.
All das endet jedoch heute am 33. Tag des Omer! Am Lag Ba Omer (die Buchstaben Lamed und Gimel ergeben zusammen 33) endet die Trauerzeit und mein Bart verschwindet, während laute Musik durch meine Wohnung dröhnt. Wie bei so vielen jüdischen Traditionen, wird hier mit unserer Wahrnehmung der Realität gespielt, denn Musik wird so viel besser, wenn man 33 Tage auf sie verzichtet hat und ein rasiertes Gesicht wird überhaupt erst wahrgenommen, wenn man vorher einen dicken Bart hatte.

Dieses Prinzip der Gegensätze durchzieht die gesamte Schöpfung. Tag und Nacht, Sommer und Winter, Mann und Frau, Schabbat und Wochentag, Bart und glattrasiert…
Am 33. Tag des Omer hörte die Plage unter Rabbi Akivas Schülern auf. Es ist gleichzeitig der Todestag (Jahrzeit auf Jiddisch) von Rabbi Schimon Bar Jochai, einem der fünf Schüler, die sich Rabbi Akiva nach der Tragödie mit der Plage nahm. Rabbi Schimon Bar Jochai war einer der großen Gelehrten des Talmud und ein Kabbalist. Normalerweise wird an einem Todestag nicht gefeiert, aber die Jahrzeit von Rabbi Schimon war von einem „Feuer der Spiritualität“ begleitet und wir erfüllen seinen letzten Wunsch, an seinem Todestag nicht zu trauern, sondern zu feiern.
Zu dieser Feier gehört das Entfachen großer Feuer, einfach überall, wo auch nur ein bisschen Platz ist. Kinder in Israel beginnen schon nach Pessach alles Brennbare zu sammeln und es auf freien Flächen aufzustapeln. Ich sehe schon seit Wochen auf allen möglichen Plätzen in meiner Nachbarschaft fertige Holztürme, die nur darauf warten, angezündet zu werden.

Wer jetzt denkt, dass dies sehr gefährlich ist, hat absolut recht. Am Lag Ba Omer Tag herrscht totale Anarchie und Kinder jeden Alters spielen wortwörtlich mit dem Feuer, während aus großen Lautsprechern Musik dröhnt. Es wird getanzt, gesungen oder einfach nur nachdenklich ins Feuer gestarrt. Dicker Rauch hängt über den Städten und die Kinder kommen am späten Abend mit rußbedeckten Gesichtern und rauchiger Kleidung nach Hause, während die Fenster im Haus trotz der Hitze geschlossen bleiben.
Zum Abschluss noch ein berühmter jüdischer Witz über die Gegensätze in der Schöpfung und unsere Wahrnehmung:
„Nimm heute deine Kuh in dein Haus und lass sie bei euch schlafen,“ riet ihm der Rabbi.
Der Mann war sehr verwundert über diesen Rat, aber nahm seine Kuh für die Nacht mit in seine kleine Hütte. Am nächsten Tag fand er sich wieder beim Rabbi ein.
„Geehrter Rabbi, wir haben heute mit der Kuh um Haus übernachtet, aber irgendwie ist mein Problem nicht gerade besser geworden.“
„Sehr gut, lass die Kuh weiterhin mit euch schlafen und nimm noch deine Hühner mit ins Haus.“
Der Mann war geschockt, aber tat wieder wie ihm befohlen wurde.
Am folgenden Tag ging er wieder zum Rabbi, der ihm riet, neben der Kuh und den Hühnern auch noch die Hunde des Hofs mit ins Haus zu nehmen. Widerwillig tat es der Mann und am folgenden Tag ging er zum Rabbi, um Bericht zu erstatten.
„Geehrter Rabbi, wir haben nun mehrere Tage mit all unseren Tieren im Haus gelebt, ich verstehe nicht, wie mir das helfen soll, was soll ich jetzt tun?“
„Sehr gut, jetzt schick alle Tiere wieder aus dem Haus und erzähl mir morgen, ob dir deine Hütte noch klein erscheint.“
Und jetzt das Wetter:
Das Wetter für heute in Israel
Heiter bis teilweise bewölkt und noch etwas wärmer. Für heute werden folgende Höchsttemperaturen erwartet: Jerusalem 32 Grad, Tel Aviv 27 Grad, Haifa 29 Grad, Tiberias am See Genezareth 36 Grad, am Toten Meer 38 Grad, Beersheva 34 Grad, Eilat am Roten Meer 39 Grad. Der Wasserpegel des See Genezareth liegt bei – 209,14 m unter dem Meeresspiegel. Es fehlen 34 Zentimeter bis zur oberen Grenze.
Im Namen der gesamten Redaktion von Israel Heute wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende und einen gesegneten Schabbat. Machen Sie es gut.
Schabbat Schalom aus Bet Schemesch!
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