
Guten Morgen liebe Leser!
Wir haben wieder Freitag, das Wochenende ist schon wieder da. Hier bei uns in Modiin scheint die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Nur die etwas kühleren Temperaturen, die beim Schreiben dieser Zeilen bei 19 Grad liegen, erinnern uns daran, dass der Sommer vorbei ist. Der heutige Tag soll allerdings ein sonniger Tag werden mit Temperaturen von bis zu 25 Grad. Morgen hat man uns allerdings wieder etwas Regen versprochen.
Und hier ist zunächst das Wetter für heute in Israel:
Meist bewölkt ohne bemerkenswerte Veränderungen der Temperaturen. Gegen Mittag Möglichkeit von vereinzelten Regenschauern und Gewittern. Gefahr von Blitzfluten in den südlichen und östlichen Wadis. . Folgende Höchsttemperaturen werden erwartet: Jerusalem 21 Grad, Tel Aviv 25 Grad, Haifa 24 Grad, Tiberias am See Genezareth 27 Grad, am Toten Meer 28 Grad, Beersheva 26 Grad, Eilat am Roten Meer 29 Grad. Der Wasserpegel des See Genezareth ist um einen weiteren halben Zentimeter gesunken und liegt jetzt bei -214.655 m unter dem Meeresspiegel.
Der heutige Freitag ist kein gewöhnlicher Freitag. Wir haben den 9. November. Ein besonderes Datum. Zu meiner Schulzeit in Oldenburg wurde immer wieder über die Ereignisse an diesem Datum gesprochen. Ich weiß nicht, wie viel heute in deutschen Schulen über den 9. November 1938 gesprochen wird, aber ich erinnere mich sehr gut an meine Schulzeit, wir haben damals sehr viel darüber gelernt. Der 9. November ist ein Datum, das ich schon in meinen jungen Lebensjahren als Kind immer wahrgenommen habe. Überhaupt haben wir damals, obwohl ich in einer ganz normalen deutschen Grundschule war, schon sehr früh über das Judentum gelernt. Ich erinnere mich an ein Arbeitsheft aus der 4. Klasse, da musste ich jüdische Gegenstände richtig zuordnen. Wir lernten, was zum Beispiel ein Talit ist, wir lernten über den Shabbat und auch über Israel. Heute ist mir klar, dass das gar nicht so selbstverständlich war, Wir haben sogar zu dem Lied “Hava Nagila” einen israelischen Volkstanz einstudiert. Später lernten wir dann über den Aufstieg der Nazis. Wir haben viee Filme zu sehen bekommen, auch ein Besuch des Konzentrationslagers Bergen Belsen war Teil des Lernprogramms. Und wir lernten über die Reichskristallnacht, die leider auch meine Heimatstadt Oldenburg nicht ausgelassen hatte. Die Synagoge in Oldenburg wurde zerstört, der oldenburgische Landesrabbiner Leo Trepp, den ich später noch persönlich kennenlernen durfte, wurde zusammen mit jüdischen Männern in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, später waren auch ihre Frauen und Kinder an der Reihe. Von der alten Synagoge in Oldenburg ist nur noch die Steintafel zu sehen, auf dem auf Hebräische “Beit Elohim” (בית אלהים) geschrieben steht, das “Haus Gottes”. Diese Tafel befindet sich heute über dem Eingang der neuen Synagoge der wieder bestehenden Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg.
Die neue Synagoge in Oldenburg (l.) mit der Steintafel (o.r.). Unten rechts: Mahnmal am Platz der alten Synagoge, die in der Kristallnacht abgebrannt wurde (Fotos: Dov Eilon)
Seit dem Jahr 1981 findet in Oldenburg jedes Jahr am 9. oder 10. November der sogenannte Erinnerungsgang statt. Damit erinnern die Oldenburger an die Nacht, in der die oldenburger Juden aus den Häusern geholt wurden und zunächst in das örtliche Gefängnis gebracht wurden, von wo aus sie später dann ins Konzentrationslager gebracht wurden. Der Gang führt von der früheren Polizeistation zum Gefängnis. Auf dem Weg wird am Ort der abgebrannten früheren Synagoge der Jüdischen Gemeinde halt gemacht. Dort befindet sich heute auch eine Gedenktafel mit den Namen der oldenburger Juden, die damals dort gelebt haben. Ich selbst konnte vor vier Jahren an diesem Erinnerungsgang teilnehmen. Allerdings gehen die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde nicht mit den anderen, sondern erwarten die Teilnehmer an der Erinnerungstafel. Dort bleiben die Teilnehmer dann für einige Minuten stehen mit den Augen auf die heutigen Mitglieder der Jüdischen Gemeinde von Oldenburg. Es wird geschwiegen, und die Glocken der Kirchen läuten. Ein enorm emotioneller Moment.
Erinnerungsgang in Oldenburg, 10.November 2014
Einen Tag vorher veranstaltet die Jüdische Gemeinde ein Treffen mit oldenburger Christen, die aus der benachbarten Kirche die Synagoge besuchen, wo man dann zusammensitzt und spricht. Eine schöne Geste. Es geht bei der Erinnerung an diese schreckliche Zeit eben nicht darum, jemanden anzuklagen, es geht einzig und allein darum, dafür so sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Und der erste Schritt dazu ist der Dialog und das gegenseitige Verständnis. Ich bin sehr stolz auf “meine Oldenburger”.
Und dann passierte heute vor 29 Jahren noch ein historischen Ereignis, als sei nicht schon genug geschehen an diesem besonderen Datum. Mein erster Gedanke war damals: “Jetzt hat man uns den Gedenktag an den 9. November 1938 geklaut!” Wie konnte es sein, dass der historische Fall der Mauer, der Beginn der Wiedervereinigung Deutschlands, sich ausgerechnet am 9.November ereignet hat? Bis 1989 erinnerte man sich in Deutschland an diesem Tag an die Kristallnacht, es gab Sondersendungen im Fernsehen. Und was nun? Am Tag nach dem Mauerfall war ich gerade mit Cello-Studenten aus Holland, die Gäste der Musikakedmie waren, in der Altstadt von Jerusalem unterwegs. Ich hatte die Zeitung Maariv bei mir mit der Schlagzeile: ”Berliner Mauer fällt”.
Maariv vom 10.11.1989, “Berliner Mauer fällt”
Es war schon ein enormes Ereignis und ich habe mich damals sehr gefreut. Ich erinnere noch ganz genau, wie ich als 17 jähriger auf einem Aussichtsturm vor dem Brandenburger Tor stand und traurig auf die andere Seite schaute. Ich war damals einfach nur wütend. Dabei dachte ich mir, dass das nun die Strafe für die Deutschen sei, für die Verbrechen der Nazis. Ich habe aber immer davon geträumt, dass es diese Mauer einmal nicht mehr geben würde, aber ich habe nie geglaubt, dass ich es erleben würde. Wie gesagt, keiner der Deutschen kann heute für die Taten ihrer Vorfahren verantwortlich gemacht werden. Es ist gut, dass es wieder ein Deutschland gibt. Und wer weiß, vielleicht ist es kein Zufall, dass die Mauer ausgerechnet am 9. November gefallen ist.
Ich bin gespannt, wie dieser Tag heute in Deutscland begangen werden wird. Wird man erst einmal an den Fall der Mauer erinnern? Denn da, was genau vor 80 Jahren in Deutschland geschah, darf niemals vergessen werden.
Und nun wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende mit vielen Erinnerungen an die Vergangenheit und einen gesegneten Shabbat. Machen Sie es gut.
Shabbat Shalom aus Modiin!
Dov
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