„Bibi war Gott gegenüber unhöflich“

„Die Deutschen wurden auf dem Weg zur Eroberung des Landes durch Gottes Wunder und nicht durch die Zionisten aufgehalten.“

von Aviel Schneider | | Themen: Benjamin Netanjahu, Bibel
Besteht Gottes Schutz auch in der Ukraine? Israel Eichler hält es für möglich. Foto von Uri Lenz/FLASH90
Besteht Gottes Schutz auch in der Ukraine? Israel Eichler hält es für möglich. Foto von Uri Lenz/FLASH90

Der Sturm über Gottes Schutz donnert weiter. Als Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gestern die religiösen Juden warnte, nicht in die Ukraine zu reisen und darauf hinwies, dass „Gott das jüdische Volk in Europa nicht immer beschützt hat“, verärgerte er seine ultraorthodoxen jüdischen Koalitionspartner. Der Fraktionsvorsitzende der ultraorthodoxen Vereinten Tora Partei, Israel Eichler, reagierte auf Netanjahus Warnung und beschuldigte die säkularen und zionistischen Juden im Volk. „Es waren diese Juden, die die Rettungspläne der europäischen Juden im Holocaust zum Scheitern gebracht haben und die Juden in den Ghettos gedemütigt haben.“ In den Medien platzte alles zwischen Politik, Gott und Israel. Wenn man Gottes Macht infrage stellt, ist das dann Blasphemie oder Unhöflichkeit? Israels Mainstream Medien, links, rechts und zionistisch, stehen in diesem Fall gegen die Worte und Stellung der ultraorthodoxen Juden im Land.

Laut Eichler haben die Juden in der Diaspora schon immer in relativer Ruhe und Frieden gelebt und nur in Israel wird jüdisches Blut wie Wasser vergossen. Hinzu kommt die Assimilation des säkularen Regimes. Der stellvertretende Knessetsprecher fügte hinzu: „Mehr als ein Jahrhundert hat der Gott Israels das Land Israel vor den Götzen der Macht und schlechten Kultur wie auch der Assimilation säkularer Regierungen gerettet.“ Damit meint Eichler natürlich die säkularen und zionistischen Regierungen im Land, die besonders in den Pionierjahren in der Politik keine wahre Vertretung im Parlament hatten. „Nicht die Zionisten und Partisanen haben den Holocaust in Israel verhindert, sondern der Allmächtige“, unterstrich Eichler. „Die Deutschen wurden auf dem Weg zur Eroberung des Landes durch Gottes Wunder und nicht durch die Zionisten aufgehalten.“

Ein alter Panzer im Norden Israels nahe der Grenze zu Syrien auf dem Berg Hermon. Foto von Michael Giladi/Flash90
Ein alter Panzer im Norden Israels nahe der Grenze zu Syrien auf dem Berg Hermon. Foto von Michael Giladi/Flash90

Seine Worte lösten den Zorn der Knesset-Abgeordneten auf beiden Seiten der politischen Landkarte aus. „Antizionistischer Blödsinn. Ein kranker und rassistischer Text. Wir schämen uns, was du geschrieben hast.“ Selbst aus der Koalition kritisierte der Bildungsminister Yoav Kish Eichler in einem Tweet: „Als Enkel von Brigadier Kish, der gegen die Nazis kämpfte, als Zionist, als Jude und als Soldat der israelischen Streitkräfte, der gegen unseren Feind gekämpft hat, schäme ich mich für die Dinge, die du geschrieben hast“.

Aryeh Ehrlich, Herausgeber der populären orthodoxen Zeitschrift Mischpacha (Familie), twitterte: „Jedes Mal, wenn das Oberhaupt des religiösen Lagers den Mund aufmacht, um sich gegen solche ungeheuerliche Ketzereien zu äußern und diesmal gegen einer offiziellen Erklärung des Premierministers, fällt die gesamte Theorie des süßen Israels wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Wir sollten Bibi nicht respektieren, wenn er sich so frevelhaft, niederträchtig und unhöflich gegen Gott äußert“, fügte Ehrlich ganz ehrlich hinzu.

In einem anderen Tweet erklärte Ehrlich, dass die ultraorthodoxe Botschaft klar sei: „Die Loyalität zu Gott ist stärker als die Anbetung von Bibi. Netanjahu? Bibi ist kein Idol.“ Ein anderer orthodoxer Journalist, Yossi Elituv, tweetete:

„Benjamin Netanjahu, es ist keine Schande, sich zu entschuldigen. Übrigens, ein Jude, der von Zeit zu Zeit Tefillin (jüdische Gebetsriemen) anlegt, wäre nicht zu solch einer Ketzerei verfallen. Sie können immer noch Buße tun.“

Darf Bibi für Gott sprechen, oder nur die Orthodoxen? Foto von Yonatan Sindel/Flash90
Darf Bibi für Gott sprechen, oder nur die Orthodoxen? Foto von Yonatan Sindel/Flash90

Der Punkt ist immer derselbe: inwiefern ist Gottes Wirken in Israels Politik sichtbar? Wenn Gott alles macht, was für eine Aufgabe haben dann die israelischen Politiker im Parlament in Jerusalem? In diesem Fall können sie passiv auf ihren Stühlen im Plenum sitzen, Däumchen drehen, Energie sparen und einfach nichts machen. Gott hat die Kontrolle. So betrachten das zum Großteil die orthodoxen Juden im Land. Wie viele Diskussionen hatte ich mit orthodoxen Freunden und Kollegen darüber gehabt, selbst in meiner Großfamilie. Das Vertrauen auf Gott ist riesengroß, aber immer passiv. Das ist der Unterschied zwischen zwei Weltanschauungen im jüdischen Volk. Wer Gottes Verheißung in der Bibel praktisch umsetzte, waren die säkularen und zionistischen Juden, die oft nicht so an Gott geglaubt haben wie Israel Eichler. Aber sie waren aktiv und setzten den Glauben um, während die orthodoxen Juden wie Eichler immer geglaubt haben, dass der Judenstaat Israel mit dem Kommen des Messias sowie aus dem Himmel erscheint. Deswegen waren sie passiv und so sind sie auch heute noch passiv und meinen, dass sich alles von selbst regelt, in der Politik wie auch an der Front und den Kriegen Israels. In der nächsten Zeitschrift befassen wir uns mit diesem Thema, denn dieses Thema beschäftigt das Volk Israel und dieses Thema ist immer ein Stolperstein für das jüdische Volk gewesen.

Gott ist immer anwesend, aber um seine Macht zu sehen, muss sein Volk aktiv an Ihn glauben. Es besteht eine wahre Gefahr, gerade jetzt nach Uman in der Ukraine zu fliegen, nur weil man gewohnt ist, es jährlich zu machen. Netanjahus orthodoxe Koalitionspartner bestehen darauf, dass Tausende während des jüdischen Neujahr Rosch Haschana dort hinfliegen dürfen, egal was dafür riskiert werden muss. Was Bibi seinen Kollegen in der Koalition sagte, ist einfach und in anderen Worten sagte er lediglich: „Ihr sollt Gott nicht versuchen“. Das verärgerte die orthodoxen Geschwister im Volk und brachte erneut die Frage hervor, wer ist Gottes Sprecher. Was stimmt mehr, Bibis Worte „Gott hat das jüdische Volk in Europa nicht immer beschützt“ oder die Worte von Ehrlich, „Wir sollten Bibi nicht respektieren, wenn er so frevelhaft, niederträchtig und unhöflich gegen Gott spricht“?

Ist der Kampf um die Justizreform ein Streit über Gott? Foto von Miriam Alster/Flash90
Ist der Kampf um die Justizreform ein Streit über Gott? Foto von Miriam Alster/Flash90

Um diese Achse dreht sich in bestimmter Weise der gesamte Krach um die Rechtsreform im Land. Zwei Weltanschauungen, die Gottes Wirken im Land unterschiedlich betrachten und das Volk Israel in jeder Generation immer wieder beschäftigt. Das ist zwar nicht leicht für die Menschen, aber das ist vielleicht ein Weg oder Trick Gottes, womit er das Volk immer wieder dazu bringt, Ihn nicht zu vergessen. In welcher anderen Nation auf dieser Erde spielt Gott so oft eine Rolle in der Politik? Dieses Thema beschäftigt die Menschen im Volk und bringt sie immer wieder aufs Neue zum Nachdenken über Gottes Wirken in unserem Leben, und das ist das Wichtigste.

 

Übrigens: am Donnerstag laden wir euch alle zu einem Zoom-Treffen ein, 18:30 deutsche Uhrzeit. Wir werden auch über Gott und Bibi sprechen, denn dies ist Teil des gesamten Spektakels um die Justizreform.

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