Gesegnet wird, wer dich, Israel, segnet! – eine besonderen Frau

In großer Eile liess sie im Keller ihres Hauses einen verborgenen Raum abtrennen, der durch eine Türe verschlossen wurde, die mit einem Regal getarnte war.

von Israel Heute Redaktion | | Themen: Holocaust
Segen. Eine israelische Soldatin steht neben der Ehrenmauer im Garten der Gerechten unter den Völkern in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. David Vaaknin/ Flash 90
Eine israelische Soldatin steht neben der Ehrenmauer im Garten der Gerechten unter den Völkern in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. David Vaaknin/ Flash 90

Von Brigitte B. Nussbächer

Es ist ein schöner Bau mit der Aufschrift FOZ im Zentrum Jerusalems. Und es ist ein absolutes Juwel von seinem Inhalt her: das „Friends of Zion Museum“ (in der Yosef Rivlin Str. 20, Jerusalem) erzählt die beeindruckenden Geschichten von aussergewöhnlichen Frauen und Männern, die es als ihre Aufgabe ansahen, ein Segen für Juden und Israel zu sein. Sie waren sogar bereit, ihr Leben einzusetzen, um Leben zu retten und um einen Beitrag zu dem Wunder Israel zu leisten.

Doch dieser Auftrag galt und gilt nicht nur für historischen Persönlichkeiten und er ist nicht an eine bestimmte Zeit gebunden. Er ist zeitlos, gilt für uns alle – und er trägt eine wunderbare Verheissung in sich. „Gesegnet wird, wer dich (Volk Israel) segnet“ (1Mo 12,3; 1Mo 27,29).

Ganz besonders gilt er aber für Zeiten, in denen Juden und Israel bedrängt, angegriffen und verfolgt werden.

 Die Geschichte meiner Familie während des zweiten Weltkrieges

Zur Zeit des zweiten Weltkrieges zählte Rumänien zunächst zu Deutschlands Verbündeten. Ion Antonescu, der damalige Ministerpräsident und Marschall Rumäniens errichtete ab 1940 eine Militärdiktatur und ging auch ein Militärbündnis mit Hitler ein, von dem er sich materielle und personelle Unterstützung beim Aufbau der rumänischen Armee versprach. Auf Grund dessen entsandte Hitler eine deutsche Militärmission nach Rumänien, was dazu führte, dass viele deutsche Militärs in Siebenbürgen, (das seit 1918 zu Rumänien gehörte), stationiert waren. Antonescus Politik war ausserdem von radikalem Antisemitismus geprägt und während seiner Regierung fielen hunderttausende Juden aus Rumänien durch Massaker und in Arbeitslagern dem Holocaust zum Opfer.

Meine Großmutter gehörte zu der einflussreichen Familie des früheren Bürgermeisters von Kronstadt (Stadt in Siebenbürgen. Anm. der Autorin): Dr. Carl Ernst Schnell und aufgrund ihrer Fabriken und ihres Wohlstandes verfügte die Familie nicht nur über politischen, sondern auch über wirtschaftlichen Einfluss. Das Haus meiner Großmutter in der Burggasse war schon immer ein gesellschaftlicher Treff- und Mittelpunkt. Das blieb es auch während der Zeit der Stationierung deutscher Truppen. Da Siebenbürgen jahrhundertelang zur Habsburger Monarchie gehört hatte (und erst nach dem Ende des ersten Weltkrieges Rumänien zugesprochen wurde) waren meine Großeltern beide noch als österreichische Staatsbürger in Siebenbürgen geboren und hatten in Österreich und Deutschland studiert. Deutsche Offiziere, die nach Kronstadt kamen, freuten sich im Haus meiner Großeltern auf deutsche Kultur zu treffen und deutsch sprechen zu können.

 Das Geheimnis

Was die deutschen Militärs nicht wussten, war, dass meine Großmutter jüdische Freunde besaß und dass sie nicht bereit war, diese Freundschaft aufzugeben. Als sie gemerkt hatte, wie bedrohlich die Judenverfolgung auch in ihrem Umfeld wurde und sich abzeichnete, welches Schicksal Juden erwartete, handelte sie.

In großer Eile (denn jeder Tag Verzögerung konnte den Abtransport ihrer Freunde bedeuten) liess sie im Keller ihres Hauses einen verborgenen Raum abtrennen, der durch eine Türe verschlossen wurde, die mit einem Regal getarnte war. Dann brachte sie Stück für Stück kleinteilige Möbel, Klappbetten, Matratzen, Decken, Geschirr, Kleidung und alles andere Notwendige dahin. In dem großen Haus fiel das zum Glück nicht weiter auf. Als alles vorbereitet war, brachte sie ihre Freunde dort unter.

Irgendwie war es ihr gelungen, dies alles so zu tun, dass ausser ihr niemand davon erfuhr und sie versorgte die jüdische Familie ab diesem Zeitpunkt im Geheimen. Welche Ängste sie dabei begleiteten, weiss ich nicht – sie hat nie darüber gesprochen. Natürlich war ihr klar, in welche Gefahr sie sich und auch ihre ganze Familie damit brachte. Aber es erschien ihr einfach selbstverständlich, für ihre jüdischen Freunde da zu sein, auch wenn – und gerade weil – diese verfolgt wurden und in Gefahr waren.

So führte sie ein Doppelleben. Nach aussen hin die Dame der Gesellschaft, Mutter kleiner Kinder und Gastgeberin für viele – und im verborgenen jemand, der seine Kraft und Kreativität dafür einsetzte, seine Freunde zu schützen.

Während im Salon des Hauses deutsche Offiziere der Dame des Hauses die Hand küssten und im Gästebuch ihre wunderbare Gastfreundschaft lobten, bei der sie „das Kriegshandwerk vergaßen“, warteten unten im Keller ihre jüdischen Freunde darauf, dass sie – wie jede Nacht –  zu ihnen kam und sie mit Lebensmitteln, Nachrichten, Lesestoff und allem Notwendigen versorgte.

Obwohl – oder vielleicht gerade weil – ein regelmässiges Aus- und Eingehen deutscher Militärs in dem Haus herrschte, schöpfte niemand Verdacht. Auch dass mehr Lebensmittel verbraucht wurden, fiel bei den zahlreichen Gästen nicht auf. Die jüdische Familie wurde nicht entdeckt – und überlebte!
Was für ein Segen! Doch dies ist nur der erste Teil der Geschichte…

 Die große Wende

1944 änderte sich alles. Die Niederlage des deutschen Reiches zeichnete sich ab und am 23. August beendete der rumänische König Michael durch einen Staatsstreich die Militärdiktatur von Ion Antonescu und auch das Militärbündnis mit dem deutschen Reich. Rumänien wechselte mitten im Krieg die Fronten, und kämpfte fortan an der Seite der Allierten; die sowjetische Armee marschierte ein. Mit dem Sturz Antonescus endeten auch die systematischen Judenverfolgungen.

Trotz des Frontenwechsels forderte Stalin im Herbst 1944 „Reparationsleistungen“ von Rumänien, für den Wiederaufbau der Sowjetunion – als Entschädigung für das frühere Bündnis mit Deutschland und zwar in From von 100.000 „freiwilligen“ Arbeitskräften. Besonders im Fokus standen dabei Angehörige der deutschen Minderheit in Siebenbürgen.

Ab Januar 1945 wurden entsprechend arbeitsfähige Rumäniendeutsche (Männer zwischen 16 und 45 Jahren sowie Frauen zwischen 18 und 30 Jahren) von russischem und rumänischem Militär „ausgehoben“ und in Viehwaggons zur Zwangsarbeit deportiert. Die Ortseingänge wurden dazu von Militär und Polizei abgeriegelt, der Telefon-, Telegraf- und Eisenbahnverkehr wurde unterbrochen, und gemischte rumänisch-sowjetische Patrouillen gingen mit vorbereiteten Listen zur Aushebung von Haus zu Haus. Meistens geschah dies in der Nacht. Innerhalb einer Stunde sollten sich die betroffenen Personen für den Abtransport fertigmachen – ohne zu wissen, wohin es ging und wie lange sie wegbleiben würden. Erlaubt war nur ein einziges Gepäckstück. Bei der Aushebung wurde keine Rücksicht auf die Zurückgebliebenen genommen, auch wenn das Kinder waren, die elternlos blieben.

Meine Großeltern waren beide Teil der deutschen Minderheit. Mein Großvater war zu dieser Zeit noch an der Front, meine Großmutter war 28 jährig mit ihren drei kleinen Kindern (6, 2 und knapp über 1 Jahre alt) in Kronstadt. Jede Nacht bedeutete Angst, jeder Tag war nur eine Gnadenfrist. Und dann stand eines Nachts die Patrouille vor ihrer Tür und auch sie musste ihren Koffer packen. Aber sie tat gleichzeitig auch noch etwas anderes: sie schickte ihr ungarisches Dienstmädchen zu jener befreundeten jüdischen Familie, die seit dem Frontenwechsel Rumäniens wieder in Freiheit lebte.

Innerhalb kürzester Zeit erschien ihr jüdischer Freund. Er sprach mit den rumänischen und russischen Militärs und berichtete davon, wie meine Großmutter seiner Familie das Leben gerettet und wie sie sie jahrelang versorgt hatte. Welche Worte er fand, um die Männer zu überzeugen, weiss nur er. Aber er erreichte, dass meine Großmutter auf der Liste abgehakt wurde – ohne tatsächlich deportiert zu werden. Zwar verloren sie und ihre Familie durch die Enteignungen, die von den rumänischen Kommunisten in den Folgejahren durchgeführt wurden, allen Besitz und war gezwungen in einer winzigen Hinterhofwohnung zu leben, aber sie selbst blieben unversehrt und ihre drei Kinder mussten nicht elternlos aufwachsen. Welch ein Segen! „Gesegnet wird, wer dich (Volk Israel) segnet“

Die jüdische Familie wanderte kurz darauf nach Israel aus und der direkte Kontakt brach ab. Aber es gab einen Segen, der noch jahrelang weiter wirkte. In den Mangeljahren, die in Rumänien folgten, war Fleisch nur noch für besondere Kreise, zum Beispiel Angehörige der kommunistischen Partei, zu haben. Eine andere Sondergruppe, die ebenfalls Zuteilungen an Fleisch erhielt, waren die Überlebenden der jüdischen Gemeinde in Kronstadt. Und diese versorgten meine Großmutter (solange sie in Rumänien lebte) regelmässig mit Rindfleisch. Dies bereitete sie zu und lud ihre Kinder und Enkel zu einem monatlichen Festmahl ein, dessen eigentliche Gastgeber ihre jüdischen Freunde waren. So bin ich aufgewachsen und so haben wir die Wahrheit des Verses „Wer Israel segnet, wird gesegnet!“ ganz praktisch erlebt.

Mir ist durchaus bewusst, dass es andere Geschichten gibt, wo der Segen nicht so unmittelbar zu sehen war. Doch ich bin überzeugt, dass Gott auch in diesen Fällen seinen Segen geschenkt hat – auch wenn er erst später erkennbar wurde…

Das Vermächtnis

Seither sind Jahrzehnte vergangen.   Meine Großmutter hat Israel nie gesehen und die von ihr geretteten Freunde nicht mehr getroffen und doch hat auch sie einen winzig kleinen Puzzlestein zu dem Wunder beigetragen, dass sich in den letzten 100 Jahren in Israel vollzogen hat.

Wenn ich heute durch Israels Straßen gehe und  die lebensfrohen Gesichter der Israelis wahrnehme, die jubelnden Kinder, die energiegeladenen jungen Menschen und die ausdrucksstarken Züge der Älteren, dann wird mir ganz warm ums Herz. Zacharia 8, 5: „Es sollen hinfort wieder sitzen auf den Plätzen Jerusalems alte Männer und Frauen, jeder mit seinem Stock in der Hand vor hohem Alter und die Plätze der Stadt sollen voll sein von Knaben und Mädchen, die dort spielen“ hat sich erfüllt.

Meine Großmutter hat den Beitrag geleistet, den sie leisten konnte – und damit auch mir ein Vermächtnis hinterlassen. Ich möchte die Segenslinie fortführen und, wie sie, für Israel ein Segen sein!

Auch heute ist die Situation in und von Israel brisant. Der Judenhass, der Antisemitismus sind nicht verschwunden. Er richtet sich heute nicht nur gegen die Menschen, sondern äußert sich auch gegen den Staat Israel: in regelmäßigen Verturteilungen Israels durch internationale Gremien genau so, wie durch die ebenfalls regelmäßigen Raketenangriffe auf Israels Territorium. Die entsetzlichen terroristischen Anschläge, die Monat um Monat Kinder, Familienväter und junge Frauen grausam aus dem Leben reißen, scheinen für viele inzwischen erschreckend selbstverständlich geworden zu sein.

Gerade jetzt,  in dieser Zeit, ist es so wichtig einen Gegenpol zu setzen. Israel feiert dieses Jahr am 26.04.2023 sein 75-jähriges Jubiläum – und die Geschichte geht weiter. Jeder kann einen Beitrag dazu leisten. Auch heute gilt: wer Israel segnet, wird gesegnet.

Dies haben die Männer und Frauen, deren Geschichten im „Friends of Zion“ Museum beschrieben werden, erfahren. Ihr Lebenszeugnis ist eine Inspiration, (genau so wie die Geschichte meiner Großmutter für mich), in ihre Fußstapfen zu treten und ihrem Beispiel zu folgen.
Der Ruf Gottes, das Volk Israel zu segnen bleibt – die Frage ist, ob wir bereit sind, „Hineni“ (Hier bin ich!) dazu zu sagen!

 

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