
Oppositionsführer Yair Lapid hat am späten Mittwochabend Präsident Reuven Rivlin angerufen, um ihm mitzuteilen, dass eine neue Regierung ohne Benjamin Netanjahu erfolgreich ausgehandelt worden sei.
Der Acht-Parteien-Koalition werden angehören:
- Yesh Atid (Lapids zentristische Partei mit 17 Sitzen)
- Blau-Weiß (zentristisch, 8 Sitze)
- Jamina (rechtsnationalistisch, 7 Sitze)
- Arbeitspartei (linker Flügel, 7 Sitze)
- Israel Beiteinu (rechtssäkular, 7 Sitze)
- Neue Hoffnung (rechtsgerichtet, 6 Sitze)
- Meretz (linksaußen, progressiv, 6 Sitze)
- Ra’am (islamistisch, 4 Sitze)
Obwohl Lapid das Mandat zur Regierungsbildung hat und seine Yesh Atid-Partei bei weitem die größte Fraktion innerhalb der Koalition ausmacht, wird es Jamina-Chef Naftali Bennett sein, der für die ersten zwei Jahre als Premierminister dient, danach wird Lapid die Zügel in die Hand nehmen.

Die Knesset hat nun bis zu 12 Tage Zeit, die Koalitionsvereinbarung zu ratifizieren und die neue Regierung zu vereidigen. Lapid und Bennett hoffen, dass dies bereits am kommenden Montag geschehen kann.
Das Haar in der Suppe
Während die Koalition auf dem Papier über eine Mehrheit von 62 der 120 Sitze in der Knesset verfügt, hat bereits ein Mitglied von Jamina angekündigt, gegen die Bildung der neuen Regierung stimmen zu wollen.
Ein anderer Jamina-Abgeordneter soll in die gleiche Richtung tendieren. Wenn beide dagegen stimmen, dann wird die neue Regierung nur 60 von 120 Stimmen haben (es sei denn, einzelne Mitglieder der Gemeinsamen Arabischen Liste stimmen im Sinne der Koalition).

Hier wird Geschichte geschrieben
Abgesehen von allem anderen wurde gestern Abend Geschichte geschrieben, als zum ersten Mal überhaupt eine arabische politische Partei einer israelischen Regierungskoalition beitrat.
Ra’am-Chef Mansour Abbas, der auch bereit war, mit einer rechtsgerichteten Regierung unter Netanjahu zusammenzuarbeiten, sagte Reportern: “Dieses Abkommen enthält viele Dinge, die der arabischen Gesellschaft und der israelischen Gesellschaft im Allgemeinen zugute kommen.”
Siehe dazu: Wer ist Mansour Abbas?

Abgesehen von der Entmachtung Netanjahus, wofür steht die neue Regierung? Was ist ihre Agenda?
Das ist schwer zu sagen, da die Tonangebenden der Koalition öffentlich über fast nichts anderes gesprochen haben, als Bibi zu stürzen sowie über eine vage Vorstellung von “Einheit”.
Es gibt keine einheitliche zentrale Plattform für die neue Regierung, zumindest keine, die die verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und diplomatischen Fragen anspricht, die in den kommenden vier Jahren mit Sicherheit auftreten werden.
Ist solch eine gemeinsame Plattform überhaupt möglich, wenn man bedenkt, dass die Mitglieder der Koalition von progressiven Atheisten über arabische Islamisten bis hin zu religiös-nationalistischen Juden reichen?
Was wir wahrscheinlich erwarten können, ist eine Menge internes Gerangel, Spannungen und Bemühungen, die Dominanz der einen oder anderen Seite durchzusetzen. Wir haben das bei den Koalitionsverhandlungen bis zur letzten Minute gesehen, als sowohl die linke Arbeits- als auch die rechte Jamina-Partei bereit schienen, den ganzen Deal wegen eines Sitzes im Ernennungsausschuss für Richter platzen zu lassen.
Siehe dazu: Rechte Regierung oder Regierung des Wechsels?

Was bedeutet das für Bibi?
Netanjahu hat geschworen, sich aktiv als Chef der Opposition einzubringen. Er will die internen Spaltungen der neuen Regierung ausnutzen, um sie zu Fall zu bringen.
Und diese Bemühungen werden zweifellos heute beginnen, noch bevor die Koalition ratifiziert und die Regierung vereidigt wurde. Wenn Bibi einen oder zwei der rechtsgerichteten Gesetzgeber der Koalition “umstimmen” kann (wie beispielsweise genannte Jamina-Parteikollegen), könnte er immer noch die Bildung der neuen Regierung verhindern und eine fünfte Wahl erzwingen.
Derweil zeigen Umfragen, dass mindestens die Hälfte von Netanjahus eigenen Likud-Kollegen wollen, dass er von der Parteiführung zurücktritt. Viele sind es leid, dass sich die israelische Politik nur um einen Mann dreht. Sie sind überzeugt, dass eine starke, ganz rechte Regierung gebildet werden könnte, wenn er weg vom Fenster wäre.
Sollten diese Bemühungen Früchte tragen und Netanjahu entweder zurücktreten oder aus der Likud-Chefetage entfernt werden, könnten sich die Spielregeln völlig ändern. Wenn die neue Regierung bereits an der Macht wäre, könnte die Likud der Regierungskoalition möglicherweise beitreten und daran arbeiten, ihre eher linksgerichteten Elemente zu verdrängen. Alternativ könnten sich aber auch die rechten Elemente innerhalb der neuen Regierung der Opposition anschließen, die Regierung zu Fall bringen und mit der Hoffnung auf einen Sieg eine weitere Wahl veranlassen.
Siehe dazu: Bibi spaltet den rechten Block
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