Israel Heute Morgen – Der Streit um die Wehrpflicht

In Israel habe man eine Armee des Volkes, wird immer stolz gesagt. Doch leider ist es nicht so. Der größte Teil der orthodoxen Juden weigert sich auch nach 70 Jahren, wie alle anderen in der Armee zu dienen. Sie sehen im Torastudium ihren Beitrag zum Wohl des jüdischen Volkes. Ein neues Wehrpflicht-Gesetz soll jetzt für Ordnung sorgen. Aber tut es das?

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Guten Morgen liebe Leser!

Israel ist ein kleines Land. Auf der Karte kaum zu erkennen. Gerade mal 8.5 Millionen Menschen leben hier, der Anteil der jüdischen Bevölkerung liegt bei rund 75 %, um die 6 Millionen, was für eine Zahl! Seit seiner Staatsgründung vor 70 Jahren muss der Staat um seine Existenz kämpfen. Dass Israel in allen Kriegen als Sieger hervorging hat es seiner Armee zu verdanken. Und da Israel ein so kleines Land ist, besteht eine Wehrpflicht für Frauen und Männer. Alle müssen ihren Teil zur Verteidigung des Landes geben. Frauen gehen für 2 Jahre, Männer für 2 Jahre und acht Monate zur Armee. Wehrpflicht für alle heisst es, doch so einfach ist das hier bei uns eben nicht.

Orthodoxe Juden weigern sich in der Regel, in der Armee zu dienen, sie sagen, ihr Dienst sei es, die Torah zu studieren, auch das sei für die das Wohl des jüdischen Volkes. Und dann gibt es noch extreme orthodoxe Juden, die die Existenz des Staates Israel gänzlich ablehnen, nur der Messias dürfe die Rückkehr der Juden aus der Diaspora leiten. Dennoch leben sie hier und geniessen die Sicherheit des Staates Israels. Schon immer gab es den Streit um den Wehrdienst. Die orthodoxen Juden ziehen es vor, in einer Religionsschule, der Jeshiva, die Torah zu studieren. Der Staat Israel versuchte mit Gesetzen, mehr orthodoxe Juden in die Armee zu bekommen. So wurde im Jahr 2002 das sogenannte Tal-Gesetz verabschiedet, um gegen die bis dahin praktizierte Freistellung von Jeshiva-Studenten vorzugehen. Das Gesetz gab den orthodoxen Juden im Alter von 22 Jahren eine einjährige Bedenkzeit für oder gegen den Armeedienst. Es wurden besondere Einheiten für orthodoxe Soldaten geschaffen. Doch das Gesetz half nicht, mehr orthodoxe Juden für den Dienst in der Armee zu überzeugen, immer mehr von ihnen wurden vom Wehrdienst befreit, sehr zum Unmut derer, die zwei oder drei Jahre ihres Lebens ihren Armeedienst für das Land ableisten.

Das Oberste Gericht erklärte im Jahr 2006, dass das Tal-Gesetz die Würde der Bürger, die ihren Wehrdienst leisten, verletze. Dennoch konnte das Gesetz noch bis 2012 jedes Jahr verlängert werden. Seitdem versucht man, ein neues Wehrpflicht-Gesetz zu verabschieden. Orthodoxe Juden, dies sich nicht an der Rekrutierungsstelle melden, werden seitdem als Deserteure angesehen und von der Armee verhaftet, was immer wieder zu sehr großen Protestdemonstrationen der orthodoxen Juden führte. Dabei bräuchten die Orthodoxen sich nur an der Rekrutierungsstelle melden, um als orthodoxer Jude anerkannt zu werden und so eine vorläufige Freistellung vom Dienst zu bekommen.

Orthodoxe Juden bei einer Kundgebung gegen die Wehrpflicht, gestern in Jerusalem (Foto: Flash90)

Auch die nicht-orthodoxen Juden, die ihren Armeedienst leisten, waren und sind nicht mit dem momentanen Zustand einverstanden. Warum dürfen die orthodoxen Juden in der Jeshiva studieren, wofür der Staat ihnen sogar eine monatliche Unterstützung zahlt, und alle anderen müssen in die Armee, wo sie auch ihr Leben für das Wohl derer riskieren, die nicht bereit sind, in der Armee zu dienen.

Heute Nacht wurde nun in der Knesset in erster Lesung ein neues Wehrpflicht-Gesetz verabschiedet. Auch dem waren ewig lange Streitigkeiten und Regierungskrisen vorausgegangen. Der weitaus größte Teil der orthodoxen Juden bleibt bei seiner Ansicht, dass sie nicht in der Armee dienen müsstem, ihr Dienst sei das Torah-Studium. Der Staat müsse ihren Glauben und ihre Lebensweise akzeptieren. Bei der Abstimmung heute Nacht stimmten 63 Abgeordnete für und 39 gegen das Gesetz. Einige der orthodoxen Abgeordneten verließen vor der Abstimmung den Plenarsaal, allerdings erst, nachdem sie sicher waren, dass das gesetz auch ohne sie angenommen würde. Darüber wunderte man sich heute früh in den Medien. Im Radio wurde gesagt, dass die orthodoxen Parteien wüssten dass es kein besseres Gesetz für sie geben würde, dennoch müssten sie ihren Wählern ihre Ablehnung demonstrieren. Denn offiziell ist es eben so, dass orthodoxe Juden nachwievor nicht in der Armee dienen wollen.

Die Knesset, heute Nacht (Foto: Yonatan Sindel/Flash90)

Aber was besagt dieses neue Gesetz? Es geht darum, dass der Staat jedes Jahr eine gewisse Zahl von orthodoxen Juden in der Armee haben möchte. Im ersten Jahr sollen es 3348 sein, im Jahr darauf 3614 und bis zum Jahr 2027 sollen jedes Jahr 5737 orthodoxe Juden in die Armee eingezogen werden. Sollte innerhalb der nächsten drei die Einzugsquote von orthodoxen unter 85 % des Ziels liegen, dann soll das Gesetz seine Gültigkeit verlieren und die Wehrpflicht für alle gelten. Und dann wird es wieder ein großes Durcheinander geben.

Interessant an diesem Gesetz ist, wer vom Staat ab jetzt als orthodoxer Jude gilt. Ein Jugendlicher, der bis zu seinem 15. Lebensjahr in orthodoxen Schulen gelernt hat, wird auch dann noch als orthodox angesehen, wenn er danach diese Schule verlassen hat und in einer „normalen“ religiösen Schule lernte. Wenn er dann seinen Armeedienst beginnt, so wie alle religiösen und nicht orthodoxen Juden, wird er dennoch als Orthodoxer gezählt, ´was das Erreichen des Ziels natürlich erleichtert. Hier ist man also sehr flexibel mit der Frage umgegangen, wer orthodox ist und wer nicht. Und trotz allem, obwohl das Gesetz heute Nacht in erster Lesung verabschiedet wurde, mit Unterstützung der orthodoxen Abgeordneten, die durch das Verlassen des Plenarsaals eben nicht dagegen stimmten, wird heute wieder berkündet, dass man in dem Fall, dass das Gesetz auch in zweiter und dritter Lesung durchgebracht wird, die Regierung verlassen würde. Allerdings meinen viele Experten, das es sich dabei um leere Drohungen handelte, denn ein besseres Gesetz würden sie niemals bekommen.

Ich denke, wir werden es nie schaffen, die Orthodoxen dazu zu bringen, in der Armee zu dienen. Wir haben gesehen, dass sie es sogar vorziehen, im Gefängnis zu sitzen. Daher hat die Regierung wohl keine andere Wahl, als ihnen irgendwie entgegen zu kommen. Eine gerechte Teilung der Pflichten wird es daher nie geben. Während ich also zur Zeit noch zwei Kinder habe, die in der Armee gehen, könne orthodoxe Jugendliche weiter in der Jeshiva lernen und dafür sogar mehr Geld bekommen als es meine Tochter, die ihre Wehrpflicht ableistet, bekommt. Was wäre, wenn wie, die „nicht-religiösen“ Juden eine ähnliche Regelung verlangen würden? Ist das Studium der Medizin nicht auch etwas zum Wohl des Landes? Auch Medizin rettet Menschen, dann könnte das doch auch als Dienst angesehen werden, oder? Es wird nichts bringen. Wir müssen uns wohl damit abfinden, wir sind ein besonderes Land. Aber vielleicht könnte man etwas mehr orthodoxe Juden dazu bringen, zum Beispiel beim Roten Davidstern ein Jahr zu machen. oder der orthodoxen Rettungsorganisation Ichud Hazala, von der ich Ihnen schon einmal berichtet habe. Auch möchte ich nicht, das man jetzt denkt, alle Orthodoxen würden sich drücken. Es gibt durchaus orthodoxe Juden, die in die Armee gehen. Und dafür müssen sie viel opfern, denn bei ihnen zuhause, in der Nachbarschaft, wird es nicht unbedingt gut geheissen. Viele müssen ihren Dienst geheim halten.

Sie sehen an der Länge des heutigen Artikels, dass dies ein sehr komplexes und kompliziertes Thema ist. So richtig einigen wird man sich wohl nie können. Nun müssen wir abwarten und sehen, ob das neue Gesetz auch in dritter Lesung verabschiedet oder ob man sicher weiter darüber streiten wird.

Und jetzt schulde ich Ihnen noch das Wetter. Da wir Sommer haben, gibt es nicht mehr viel darüber zu reden. Es ist einfach sonnig und warm und manchmal etwas wärmer oder heiß.

Und hier ist das Wetter für heute in Israel:

Heiter bis wolkig mit für die Jahreszeit normalen Temperaturen. Folgende Höchsttemperaturen werden erwartet: Jerusalem 31 Grad, Tel Aviv 29 Grad, Haifa 28 Grad, Tiberias am See Genezareth 38 Grad, am Toten Meer 38 Grad, Beersheva 33 Grad, Eilat am Roten Meer 40 Grad. Der Wasserpegel des See Genezareth ist um einen halben Zentimeter gesunken und liegt jetzt bei -213.69 m unter dem Meeresspiegel.

Auch im Süden ist nichts Neues. Es vergeht kein Tag ohne eon paar weitere Brände im Grenzgebiet zum Gazastreifen. Ein Moderator eines morgendlichen Nachrichtenmagazins im Radio beginnt jede Sendung mit der Zahl der Brände seit Beginn des Feuerdrachen-Terrors vor etwas mehr als zwei Monaten. Die Zahl liegt bei 648.

Und jetzt wünsche ich Ihnen einen angenehmen und ruhigen Dienstag, machen Sie es gut.

Shalom aus Jerusalem!

Dov

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