Gebete sollten nicht mit Hass gebetet werden

Gebete sind etwas Intimes zwischen Gott und Mensch und dürfen nicht als Provokation gegenüber dem Nächsten im Volk missbraucht werden.

von Aviel Schneider | | Themen: Itamar Ben Gvir
Werden wir Szenen wie diese auch am Donnerstag wieder zu sehen bekommen? Foto: Tomer Neuberg/Flash 90

„Gebete sind keine Provokation“, sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gestern in Bezug auf die Absicht seines Ministers für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, morgen Abend in Tel Aviv ein öffentliches Gebet abzuhalten. Dabei versuchte er, seinen Minister höflich von seinem Vorhaben abzubringen. „Jetzt, nach dem schwierigen Vorfall in Tel Aviv, ist es das Wichtigste, alle Seiten zu beruhigen. Deshalb wird von allen führenden Persönlichkeiten erwartet, dass sie verantwortungsbewusst handeln und nichts tun, was die Situation noch verschlimmert“.

Ben-Gvirs Ankündigung stieß bei den meisten seiner Koalitionskollegen auf wenig Zustimmung. Der Minister kündigte an, dass er morgen Abend mit seinen Freunden und Kollegen einen Abendgottesdienst abhalten werde, zu dem er alle einlade, nachdem es am Jom Kippur in Tel Aviv zu Tumulten gekommen war.

„Ich will sehen, wer mich in Tel Aviv daran hindert“, twitterte Ben-Gvir in seiner Drohung an die Linksradikalen in Tel Aviv.


„Auf der einen Seite steht Ben-Gvir, auf der anderen der ehemalige Ministerpräsident Ehud Barak und seine Komplizen. In der Mitte steht ein ganzes Volk, das des Extremismus überdrüssig ist“, formulierte der Likud-Abgeordnete und ehemalige Knesset-Sprecher Yuli Edelstein. Das Volk spielt den Wilden auf beiden Seiten in die Hände, und das hat sich in letzter Zeit immer weiter zugespitzt. „Die Juden wissen, wie man hasst, vor allem sich selbst und den Nächsten im Volk“, sagte einst der verstorbene Ministerpräsident Ariel Scharon. Sein Sohn Gilad schrieb kürzlich in einer Kolumne, dass es auf beiden Seiten des Volkes genügend Dummköpfe gebe. „Auf der Linken wird zur Revolution aufgerufen, und auf der Rechten bestehen Minister darauf, die Oppositionsführer zu verhaften. Das ist eine jüdische Autoimmunkrankheit“, so Gilad Sharon.

Das Volk ist sich dieser Gefahr bewusst, und so versucht man, Itamar von seinem Vorhaben abzubringen. „Itamar sollte verantwortungsbewusst sein und die Veranstaltung am Donnerstag absagen“, schlug Ohad Tal, ein Kollege der religiös-zionistischen Partei, vor. „Das Gebet darf nicht zum Schlachtfeld werden. Punkt. Das Judentum kann nicht auf dieser Provokation aufgebaut werden.“ Sogar Simcha Rothmann, ebenfalls ein Parteikollege von Ben-Gvir, äußerte sich ähnlich in einem Tweet:

“Itamar, deine Ideen sind gut, aber nicht deine Absichten und Handlungen. Es besteht kein Zweifel, dass die Taten einer kleinen und gewalttätigen Minderheit, die Jom-Kippur-Gottesdienstbesucher angegriffen hat, uns allen das Herz bricht, aber die Antwort auf die Provokation der extremen progressiven Minderheit und der Unruhestifter, die hier keinen jüdischen und demokratischen Staat wollen, darf keine Gegenprovokation sein, die zu einer Ausweitung des Feuers und des Hasses führen würde. Dunkelheit besiegt man nicht mit Stöcken, sondern indem man Licht hinzufügt“.

Aber das Problem mit Itamar ist, dass er sich wie ein Baby verhält. Auch ich empfinde das so, und ich glaube, dass ich nicht der Einzige bin. Er spielt die „beleidigte Leberwurst“ und will mit seinem kindischen Verhalten nur noch mehr provozieren. Und das ist gefährlich. Deshalb betrachtet der gesamte Sicherheitsapparat Itamar nicht nur als Kind, sondern als echte Gefahr für Israel, aber in erster Linie für die rechtsnationale Koalition. Wie oft hat Itamar ohne Absprache vor laufender Kamera nach einem blutigen Terroranschlag eine Kriegsoperation im Gazastreifen angekündigt und damit das Sicherheitskabinett verrückt gemacht.

Itamar ben Gvir, Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

Seine Ideen sind teilweise gut, aber er versteht nicht, dass er schon 47 Jahre alt und Minister für nationale Sicherheit ist. Er ist nicht mehr der junge Mann, der den orthodoxen Rabbiner Meir Kahana verherrlichte und Mitglied der rechtsextremen jüdischen Kach-Organisationen war. Itamar liebt das Rampenlicht und ist ein brillanter Politiker, der es wie kein anderer versteht, die Medien für seine politischen Ziele zu nutzen. Er weiß, wie er seinen Nächsten ärgern kann, und oft hat er auch sehr gute Argumente dafür. Er bringt es auf den Punkt und oft hat er recht. Und das macht viele wahnsinnig, wie auch jetzt in seiner Koalition. Er will nun sehen, wer ihm morgen in Tel Aviv auf dem Platz die Stirn bietet.

Siehe auch: Wer hat Angst vor Itamar Ben-Gvir?

Dafür ist er bereit, das Abendgebet und den Abendgottesdienst in ein Schlachtfeld mit seinen Gegnern im Volk zu verwandeln. Diejenigen, die für Ruhe und Ordnung zu sorgen haben, sind natürlich die Polizei und die städtischen Ordnungskräfte. Öffentliche Gebete sind in Tel Aviv erlaubt, solange sie nicht wie in den Synagogen getrennt nach Männern und Frauen abgehalten werden. So verkündet der Itamar: „Okay, wir werden das Abendgebet nicht getrennt beten, sondern gemeinsam – und ich will mal sehen, wer uns daran hindern wird.“ Und er versteht es immer wieder, dies mit einer typischen Intonation in die Kamera zu sagen, die den Eindruck von „Krieg“ vermittelt.

Aktivisten stören das Gebet am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, auf dem Dizengoff-Platz in Tel Aviv, am 25. September 2023. Foto: Itai Ron/Flash90

Auf der anderen Seite haben linke Protestorganisationen noch gestern Abend angekündigt, ebenfalls ein Gebet abzuhalten, ein „Gebet für die Demokratie in Israel“. Es handelt sich um eine Initiative verschiedener Bewegungen, darunter die LGBT-Gemeinschaft, die von der Stadtverwaltung die Erlaubnis erhalten hat, das Gebet auf dem Dizengoff-Platz in Absprache mit der Polizei abzuhalten. „In diesen Tagen, in denen der Ministerpräsident und seine Minister versuchen, die Öffentlichkeit mit Gift und Hass zu überfluten, entscheiden wir uns dafür, uns unter den Werten der Gleichheit und Freiheit zu vereinen, die uns alle verbinden“. Nun, das sind schöne Worte, aber wenn es vor Ort heiß hergeht, dann werden auch diese feinen Protestler, die für etwas anderes beten, wütend. Itamars Freunde in der Koalition haben davor gewarnt, dass die Gebete sich in ein Schlachtfeld verwandeln könnten. Rund um die Uhr versuchen sie das bis morgen zu verhindern. Itamar allein kann es nicht schaffen.

Was hat Gott von den Gebeten in Tel Aviv, wenn sie nur aus Hass gegen den Nächsten gesprochen werden? Gebete sind etwas Intimes zwischen Gott und Mensch und dürfen nicht als Provokation gegenüber dem Nächsten im Volk missbraucht werden. Das gilt für beide Seiten, für die religiösen Juden, aber auch für die linken und säkularen Juden im Volk. Ehrlich gesagt es wäre besser, alle für morgen angesetzten öffentlichen Gebete in Tel Aviv abzusagen, denn es braucht nur einen, der ausflippt und so am Vorabend des biblischen Laubhüttenfestes Sukkot noch mehr Krieg unter Brüdern und Schwestern provoziert.

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