Tacheles mit Aviel – gibt es einen „jüdischen Terrorismus“?

Tacheles, offen und unverblümt sage ich meine Meinung. Darf man den Wutausbruch jüdischer Siedler nach einem weiteren palästinensischen Terroranschlag als jüdischen Terror bezeichnen?

von Aviel Schneider | | Themen: Jüdische Siedler, Terrorismus, Tacheles mit Aviel
jüdischer Terror
Israelische Sicherheitskräfte diskutieren mit jüdischen Siedlern am Eingang des Dorfes Turmus Aya. Foto von Yonatan Sindel/Flash9

Infolge einer angespannten und gewalttätigen Woche, in der Hunderte von israelischen Siedlern, aus Rache gegen den palästinensischen Terror, palästinensische Dörfer im biblischen Kernland Judäa und Samaria angegriffen haben, haben kurz nach Schabbatausgang Israels Armeesprecher, der Sicherheitsdienst Schin Bet und die israelische Polizei gemeinsam in einem Statement die Wutausbrüche verurteilt. „In den letzten Tagen wurden von Israelis in Judäa und Samaria gewalttätige Angriffe auf unschuldige Palästinenser verübt. Diese Angriffe widersprechen allen moralischen und jüdischen Werten. Sie stellen in jeder Hinsicht nationalistischen Terrorismus dar, und wir sind verpflichtet, diesen zu bekämpfen“, lautete ihre Erklärung. Und darüber ist man sich im Land natürlich uneinig, ist ein jüdischer Terror überhaupt möglich? Darf man den jüdischen Wutausbruch mit dem palästinensischen Terror vergleichen?

Die von jüdischen Siedlern verursachten Schäden an palästinensischen Häusern und Autos im Dorf Turmus Aya, am 21. Juni 2023. Foto von Nasser Ishtayeh/Flash90

Die rechte Siedlerin und Ministerin Orit Strook blieb nicht ruhig und hat alle drei Organisationen im israelischen Sicherheitssystem tüchtig kritisiert. „Was meint ihr, wer ihr seid, die Wagner-Truppe? Wie könnt ihr solch eine Botschaft im Namen der Regierung veröffentlichen. Wer seid ihr, dass ihr uns Moral predigt. Auch ich bin gegen dieses Verhalten, aber es eine Schande, dass Israels Sicherheitssystem dies als nationalistischen Terror bezeichnet“, unterstrich Strook. Ein anderer Minister, Israel Katz, stimmte seiner Kollegin zu und betonte, dass solch ein Terror nicht mit dem palästinensischen Terror zu vergleichen ist, der absichtlich Juden ermordet.

„Die IDF, der Schin Bet und die israelische Polizei werden weiterhin entschlossen handeln und alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Sicherheit und das Gesetz in Judäa und Samaria aufrechtzuerhalten. Der Schin Bet wird eine erhöhte Anzahl von Verhaftungen, einschließlich administrativer Verhaftungen, von (jüdischen) Randalierern durchführen.“ Auf der rechten Seite wird die kollektive Bestrafung von Siedlern heftig kritisiert und man lehnt Verwaltungsverhaftungen ab, während sich auf der linken Seite die Politiker mit der Definition nationalistischer Kriminalität als jüdischen Terror zufrieden zeigen.

Nach dem blutigen Terroranschlag in der Nähe der jüdischen Siedlung Eli, bei dem vier Israelis erschossen wurden, haben letzte Woche etwa 200 Siedler in mehreren palästinensischen Dörfern Geschäfte und Autos in Brand gesetzt. Mehrere Palästinenser wurden verletzt, und Olivenhaine und Viehbestände gingen in Rauch auf. Später in der Nacht schlugen die Palästinenser zurück, indem sie Steine warfen und das Feuer auf Siedler und israelische Sicherheitskräfte eröffneten. Die IDF kündigte an, dass sie mehr Truppen in das Gebiet schicken werde. Siedler randalierten in dem palästinensischen Dorf Turmus Ayya und fackelten Häuser, Geschäfte und Fahrzeuge ab. Die Unruhen wurden am Samstag in anderen Dörfern fortgesetzt, wie in Umm Safa.

Sven Kuhn von Burgsdorff, Vertreter der Europäischen Union im Westjordanland und im Gazastreifen, und Mitglieder der Europäischen Union betrachten die Schäden, die jüdische Siedler vor einigen Tagen an palästinensischen Häusern und Autos verursacht haben, während eines Besuchs im Westjordanlanddorf Turmus Aya am 23. Juni 2023. Foto von Flash90

Neben der weltweiten Kritik, darunter der US-Botschafter, der deutsche Botschafter, die EU, die VAE, die Palästinensische Autonomiebehörde und viele andere, bezogen auch einige israelische Oppositionspolitiker Stellung, allen voran Oppositionsführer Yair Lapid, der dazu aufrief, mit eiserner Faust gegen die “jüdischen Terroristen” vorzugehen.

Der religiöse Finanzminister Bezalel Smotrich warnte, keinen Vergleich zwischen arabischen und jüdischen Terror zu machen.

„Den mörderischen arabischen Terrorismus mit Taten der jüdischen Zivilisten gleichzusetzen, so schwerwiegend sie auch sein mögen, ist moralisch falsch und praktisch gefährlich. Verwaltungsverhaftungen gegen jüdische Siedler sind drakonisch und undemokratisch“, erklärte Smotrich. „Die Tatsache, dass sie nur gegen die Siedler in Judäa und Samaria und nicht gegen andere gewalttätige Gruppen im Staat Israel eingesetzt werden, stellt eine schwere Diskriminierung dar.“

Er wie auch sein Parteikollege, der Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir protestieren gegen Kollektivstrafen für jüdische Siedler, weil solche Kollektivstrafen während den Unruhen der Drusen auf den Golanhöhen nicht eingesetzt wurden, oder als im Negev Unruhen in der Beduinenbevölkerung ausbrachen.

Ben-Gvir tweetete:

„Es droht eine Intifada der Drusen auf den Golanhöhen, die Torwächter kapitulieren. Kriminelle Banden im arabischen Sektor bilden Milizen, die Torwächter kapitulieren und lassen keine Verwaltungsverhaftungen zu. Israels Linke protestieren und setzen die Haupverkehrstader Ayalon in Brand, die Torwächter applaudieren. Aber sobald es um jüdische Siedler geht, wird eine Kollektivstrafe ausgerufen und Verwaltungsverhaftungen vorgenommen. So sieht eine selektive Politik aus“.

Natürlich gab es Fälle, aber nur wenige, sehr wenige, dass Juden aus Hass Palästinenser ermordet haben, und dies darf man eher als jüdischen Terror bezeichnen. Aber was in der letzten Woche im Land passierte, ist nicht dasselbe. Die Wutausbrüche jüdischer Siedler in den palästinensischen Dörfern sollten nicht passieren, denn egal wie man das politisch oder biblisch auslegt, das sieht in den Medien niemals gut aus. Für die ausländischen Medien ist das ein gefundenes Fressen.

Aus jüdischer Sicht ist Rache biblisch keine Sünde, wie im Sinne der christlichen Denkweise und Glaubens. Natürlich darf Rache in der modernen Zeit und in einem Ordnungsstaat wie Israel nicht selbständig in die Hand genommen werden. Es stimmt, die jüdischen Siedler stürmten in die palästinensischen Dörfer, um den Palästinensern Sachschaden anzufügen, Häuser und Autos in Brand zu setzen. Keiner von ihnen ist mit Maschinengewehren in die Dörfer eingedrungen und hatte die Absicht palästinensische Zivilisten zu erschießen, so wie es die Absicht der palästinensischen Terroristen ist. Dennoch darf der Wutausbruch der jüdischen Siedler nicht gerechtfertigt werden. Wenn in Israel diese Wutausbrüche als jüdischer Terror abgestempelt werden, dann haben die Medien im Ausland die beste Rückendeckung dafür, Israel zu kritisieren. Das ist natürlich schlecht und wie ein Eigentor, aber das ist typisch Israel.

Da die israelische Regierung eine rechtsnationale Koalition ist und ihre Wähler beruhigen möchte, kündigte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an, dass seine Koalition den Bau Tausender neuer Häuser im biblischen Kernland genehmigt. Das beruhigt seine Wähler und macht den Westen unruhig. Ob es nachher wirklich zum Bau kommt, ist ein anderes Thema. Normalerweise nicht.

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Eine Antwort zu “Tacheles mit Aviel – gibt es einen „jüdischen Terrorismus“?”

  1. Serubabel Zadok sagt:

    Rache hat nichts mit Terrorismus zu tun, da sie sich nicht gegen total Unschuldige richtet, wie es beim Terrorismus der Fall ist.

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