
Was gestern in Jerusalem geschehen ist, war zu erwarten. Zwei Mächte prallten aufeinander: das menschliche Rechtssystem und biblische Vorstellungen. König Josaphat gebietet in 2.Chronik 19 seinen Richtern, sie sollen „in der Furcht Gottes handeln, in Wahrheit und mit unverletztem Gewissen. Seid vorsichtig, denn bei Gott gibt es weder Unrecht noch Ansehen der Person noch Bestechlichkeit“. Das ist eine biblische Mahnung an die Richter. Was der König damals gebot, wirft heute ein Großteil der Bevölkerung in den religiösen Medien den Richtern vor. Sie hätten den Gott Israels ignoriert und ein politisches Urteil gefällt.
Der Oberste Gerichtshof Israels hat die Ernennung des Chefs der orthodox-sephardischen Schass-Partei, Arie Deri, zum Innen- und Gesundheitsminister der neuen Regierung abgelehnt. Diese Entscheidung trafen elf Richter unter dem Vorsitz der Gerichtspräsidentin Esther Hayut mit nur einer Gegenstimme. Die Mehrheit der Richter vertrat die Ansicht, dass die Ernennung Deris „extrem unangemessen sei und Israels Ministerpräsident Deri daher seines Amtes enthoben werden sollte“. Die Richter begründeten ihre Entscheidung unter anderem mit den zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen von Arie Deri, Chef der Schass-Partei, wegen Korruption und Steuervergehen sowie seinen Haftstrafen.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu besuchte Arie Deri eine Stunde nach der Gerichtsentscheidung in seiner Jerusalemer Wohnung.„Wenn mein Bruder in Not ist, stehe ich ihm bei“, erklärte Netanjahu.

Noch am Dienstag hatte Deri, Chef der Schass-Partei, betont, er werde nicht zurücktreten, sollte der Oberste Gerichtshof seine Ernennung für unzulässig erklären. Doch nun liegt die Entscheidung in den Händen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Obwohl die Regierungskoalition mit einem solchen Urteil gerechnet hatte, kam die Entscheidung für die Koalition wie ein Schlag ins Gesicht, manche benutzten sogar das Wort Urknall. Viele sehen in dieser Entwicklung die endgültige Bestätigung, dass der Oberste Gerichtshof neutralisiert werden muss.
Im Ausland muss man verstehen, dass orthodoxe und säkulare Juden Israels Demokratie unterschiedlich sehen. Religiöse Juden betonen in erster Linie die biblischen Werte, säkulare Juden mehr die menschlichen Werte. Das ist genau der Grund, warum es gestern in Jerusalem geknallt hat. Zwei Weltanschauungen, die sich in der aktuellen Situation im Land nicht überbrücken lassen.
Die Schass-Partei droht nun, die Regierungskoalition platzen zu lassen, sollte ihr Parteichef Arie Deri wegen des Gerichtsurteils zurücktreten müssen. „Heute hat das Gericht praktisch entschieden, dass die Wahlen bedeutungslos sind. Die Entscheidung des Gerichts ist politisch, befleckt und extrem unvernünftig“, so die gestrige Reaktion der Schass-Partei auf das Urteil.

Der Rat der Tora-Weisen der orthodoxen Schass-Partei versammelte sich am Abend in Jerusalem, um Arie Deri, Chef der Schass-Partei, Mut zuzusprechen. „Egal was das Oberste Gericht in Jerusalem entschieden hat, du wirst weiterhin im Amt bleiben. Du wirst für immer und ewig unsere Gemeinschaft führen“, so die Stimmen der Rabbiner. Der Älteste der Tora-Weisen, Rabbi Moshe Maya, verglich das Oberste Gericht mit Stalin und biblischen Götzendienern. „Die Richter in Jerusalem sind wie Stalin, wer ihn nicht mochte und seinem Weg nicht folgte, der wurde nach Sibirien verbannt. Das ist Verfolgung und das macht der Gerichtshof mit uns. Diese Richter sind dumm“, kommentierte der weise Rabbi. „Es steht in der Bibel geschrieben, dass der Heilige die Ägypter und ihre Götzen schlagen wird. Heute ist der Oberste Gerichtshof der Götze, sie werden geschlagen und werden zur Schande. Die Richter werden gedemütigt und in der Zwischenzeit wird die Macht der Thora steigen.“

„Wenn Arie Deri nicht entlassen wird, verstößt die israelische Regierung gegen das Gesetz“, unterstrich dagegen Oppositionsführer und Vorsitzende der Jesh Atid Partei, Yair Lapid. „Eine Regierung, die das Gesetz nicht befolgt, ist eine illegale Regierung. Sie kann nicht länger verlangen, dass die Bürger dem Gesetz gehorchen, wenn sie es selbst nicht tut. Wenn Deri nicht entlassen wird, wird Israel in eine beispiellose Verfassungskrise stürzen. Israel wird dann keine Demokratie und kein Rechtsstaat mehr sein“.
Anders sieht das Israels neuer Justizminister Yariv Levin. „Das ist ein Absurdum, wiederholt hat der Oberste Gerichtshof das Wahlergebnis vor zwei Monaten annulliert“, so Levin, der die Justizreformen im Land durchsetzen will. „Wieder hat Israels Rechtssystem die Entscheidung des Volkes und die Entscheidung der Knesset, der neuen Regierung Vertrauen zu schenken, nicht respektiert. Das müssen wir dringend ändern.“
Während viele in der Bevölkerung, vor allem Likud-Wähler, durchaus Vertrauen in die neue Regierung haben, stehen längst nicht alle hinter Deri. In meinem Kollegen- und Freundeskreis gibt es rechte Likud-Wähler, die mir zu verstehen gegeben haben, dass sie ein Problem mit dem orthodoxen Juden Arie Deri haben. Er gilt als Betrüger, der eigentlich kein Minister sein darf. „Wie kann man von einer Katze erwarten, die Sahne nicht zu berühren“, habe ich von vielen in Bezug auf Deri gehört. Im Deutschen gibt es einen ähnlichen Spruch: „die Katze lässt das Mausen nicht“.
Für die Richter ist die Situation untragbar. Wie kann jemand Finanzminister und Vorbild sein, der wegen Korruption im Gefängnis saß? Für die Rabbiner zählt nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart. Das Volk habe Arie Deri,Chef der Schass-Partei, gewählt und deshalb habe er das Recht, Minister zu sein. Aus ihrer Sicht entscheidet das Volk, nicht die Richter in Jerusalem.
Genau darüber streitet sich die israelische Gesellschaft. Wer regiert das Land, die Mehrheit oder das Gericht? Die Regierungskoalition besteht darauf, dass die Mehrheit des Volkes die neue Regierung gewählt hat, auch wenn Arie Deri korrupt ist. Zwei Millionen Israelis scheinen kein Problem damit zu haben, dass Arie Deri Minister ist. Der Oberste Gerichtshof sieht das anders und sagt nein. Das geht nicht. Für die Richter ist der Nächste korrupt und für den Nächsten sind die Richter Götzendiener. In der nächsten Ausgabe unserer Zeitschrift Israel Heute werden wir ausführlich über die neue Situation in Israel berichten. Israel tappt wieder in die gleiche Falle wie zu biblischen Zeiten – und das sagen nicht wir, sondern die Medien im Land.
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2 Antworten zu “Tacheles mit Aviel – Chef der Schass-Partei wurde als Minister abgelehnt”
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Die Schass-Partei soll mal schön in der Regierung bleiben; sie ist von der Demokratie gewählt. Die Richter reden von einem “Gesetz”; woher haben sie es denn? Sie glauben wohl, es herrsche eine “Richterkratie” unbekannter Herkunft.
Ich predige schon seit Jahren, dass Israel eine Verfassung fehlt; nach dieser müssten sich auch die Richter richten. Diese Verfassung muss sich nach der Tora richten.
Das oberste Gericht in Israel muss abgesetzt und entmachtet werden, es handelt sonst als Diktatureinrichtung.