
Als die Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien vor rund fünf Monaten von einer neuen Allianz sprachen, war die Regierung in Jerusalem ernsthaft beunruhigt. Die neue Allianz zwischen den Schiiten in Teheran und den Sunniten in Riad löste im Land Angst aus, und im israelischen Parlament warf die Koalition der Opposition vor, während ihrer Regierungszeit unter Naftali Bennett und Yair Lapid eine falsche Nahostpolitik betrieben zu haben. Die Opposition machte dasselbe und schob die Schuld auf Benjamin Netanjahu, unter dessen Regierung sich Schiiten und Sunniten angenähert hätten. In Israel hatte man das Gefühl, der ganze Nahe Osten wolle sich gegen Israel verbünden. Dafür vergaßen die Schiiten sogar ihren brennenden Hass auf die Sunniten und umgekehrt.
Sunniten und Schiiten sind Erzfeinde. Beide Glaubensrichtungen gehen auf das 9. Jahrhundert zurück, als es einen politisch-religiösen Streit um die Nachfolge des Propheten Mohammed gab. Die Schiiten behaupteten, Mohammed habe seinen Neffen und Schwiegersohn Ali als Nachfolger gewollt. Die Sunniten waren damit nicht einverstanden. Sie wählten einen Freund und Weggefährten von Mohammed als Nachfolger. Das spaltete den Islam und aus diesem Grund hassen sich die beiden Glaubensgeschwister. Wer in Jerusalem lebt, muss nur mit den Palästinensern (Sunniten) sprechen, um zu verstehen, wie sehr sie die Schiiten für Gotteslästerer halten.
In Riad und Teheran haben beide Länder ihre jeweiligen Botschaften eröffnet und damit eine neue Ära im Nahen Osten eingeläutet. Seitdem sind fünf Monate vergangen und nichts ist passiert. Der Nahe Osten hat sich nicht verändert. Es klingt immer bombastisch, wenn von einem „Neuen Nahen Osten“ die Rede ist. Das erinnert mich an den „Neuen Nahen Osten“, von dem Israels verstorbener Oslo-Architekt Shimon Peres vor zwanzig Jahren schwärmte.
Siehe auch: Tacheles mit Aviel – Schon wieder ein neuer Naher Osten
Weder die Sunniten noch die Schiiten sind sich wirklich näher gekommen. Ich nenne einige Punkte:
- In den letzten Wochen hat der Iran gegenüber Saudi-Arabien und Kuwait deutlich gemacht, dass Teheran auf seinen Gasrechten im kuwaitischen Gasfeld Al Durra im Persischen Golf besteht.
- In den letzten Tagen beansprucht der Iran die vollständige Kontrolle über drei Inseln im Persischen Golf, Abu Musa, Großer Tunb und Kleiner Tunb, am Eingang der Straße von Hormoz. Iran steht in dieser Frage im Konflikt mit den Vereinigten Arabischen Emiraten südlich der Inseln. Auch mit den VAE hat der Iran neue Beziehungen aufgenommen.
- Auch in Syrien tut sich nicht viel. Syrien gehört zur schiitischen Achse im Nahen Osten, da die Familie Assad Alawiten sind, eine Abspaltung der Schiiten. Seit Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges steht Syrien unter vollständiger Kontrolle Teherans. Saudischen Quellen zufolge hat Saudi-Arabien die Renovierung seiner Botschaft in Damaskus eingestellt. Auch die Beziehungen der sunnitischen Regierung zu Syrien wurden eingefroren. Unter anderem wegen des anhaltenden Drogenexports pro-iranischer Milizen aus Syrien nach Jordanien und Saudi-Arabien, der weiter drastisch zunimmt. Das syrische Regime von Baschar al-Assad ist im großen Stil in den internationalen Handel mit synthetischen Drogen verwickelt. Hauptabnehmer der syrischen Drogen sind jedoch die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien. Das will Riad stoppen, kann es aber nicht. Laut Economist betrug der Wert aller beschlagnahmten Drogen aus Syrien 3,4 Milliarden Dollar.
- Kürzlich haben die Botschaften von Saudi-Arabien, Bahrain, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Libanon Warnungen der Staatsführung wegen der Wirtschaftskrise und der Hisbollah veröffentlicht. Der Libanon steht unter starkem Einfluss der schiitischen Hisbollah, die vom Iran finanziert wird.
- Auch ist die Krise im Jemen, an der Südgrenze Saudi-Arabiens, trotz der neuen Freundschaft zwischen Riad und Teheran nicht ausgestanden. In Riad erhofften sich die Sunniten von der Allianz mit Teheran ein Ende der Kämpfe mit den Huthis im Jemen, die dem Iran gegenüber loyal und verbunden sind. In Saudi-Arabien plante man bereits, während des Fastenmonats Ramadan ein Friedensabkommen mit den Huthis zu unterzeichnen. Jegliche Verhandlungen zwischen den Huthis und den Saudis scheitern, und die Schiiten in Teheran drängen nicht darauf, den Krieg gegen die Saudis im Jemen zu beenden.
Dies sind nur einige Beispiele für den Bruch des Bündnisses zwischen Schiiten und Sunniten, möglicherweise zugunsten Israels. Deshalb hört man in den letzten Wochen immer wieder Signale einer möglichen Normalisierung zwischen Juden und Sunniten (Riad). Die Menschen im Westen müssen verstehen, dass die erbitterte Rivalität zwischen Schiiten und Sunniten nicht mit einer Unterschrift auf einem Papier verschwindet. Schlagzeilen lösen keine Konflikte und schaffen keinen Frieden. Die Prozesse im Nahen Osten verlaufen in einem anderen Rhythmus, darüber haben wir jahrzehntelang im Zusammenhang mit dem Oslo-Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern geschrieben. Die arabischen Regierungen haben Zeit und werden gegenüber Israel politische Zeit verschwenden, bis sie von ihrem Gegner bekommen, was sie wollen. Im Fall von Sunniten und Schiiten ist das noch schlimmer. Die Rivalität zwischen Sunniten und Schiiten ist tiefer verwurzelt als man denkt.
Seit Jahrzehnten kämpfen Schiiten und Sunniten – Iran und Saudi-Arabien – um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Und das wird wohl noch lange so bleiben. Aus technischen Gründen haben Sunniten und Schiiten im März dieses Jahres ein Bündnis geschlossen, um sich in dieser geopolitischen Situation gegenseitig zu helfen. Das war die Idee, aber in der Realität ist alles viel komplizierter.
Für den Iran spielten wirtschaftliche Gründe eine Rolle. Das Land ist stark vom Ölexport abhängig. Die internationalen Sanktionen haben den Iran weitgehend vom Markt verdrängt. Der Iran steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, die Währung Rial hat in den vergangenen zehn Jahren 90 Prozent ihres Wertes verloren. Auch Saudi-Arabien hat wirtschaftliche Interessen. Um die eigene Wirtschaft zu modernisieren, ist das Königreich auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen. Außerdem erhofft man sich von der Allianz eine Deeskalation des Jemen-Krieges, der für Saudi-Arabien nicht nur gefährlich, sondern auch teuer ist und dem Ansehen des Königreichs schadet.
— johar.D.r. (@Drm06201439) May 2, 2023
Karrikatur: Ein als religiöser Jude dargestellter Israeli bitte den Saudi um die Normalisierung der Beziehungen: “Normalisiert euch mit uns, gebt uns Bedeutung”.
Diese Lücke muss Israel ausnutzen, wenn es eine Normalisierung mit Saudi-Arabien anstrebt. Die Frage ist jedoch, welchen Preis Israel in diesem Fall gegenüber den Palästinensern zahlen muss. Laut verschiedenen Quellen bestehen Riad und Washington auf israelische Gesten gegenüber den Palästinensern. Sollte Israel zu viel Enthusiasmus für eine Normalisierung mit Riad zeigen, könnte der Gegner dies für seine Zwecke ausnutzen und von Jerusalem noch mehr verlangen.
Siehe auch: Souveränität könnte der Preis für eine Normalisierung mit Saudi-Arabien sein
وزير الخارجية الإسرائيلي “إيلي كوهين”:
إذا زارنا وزير الخارجية السعودي الأمير #فيصل_بن_فرحان سيكون يوم عيد في #إسرائيل pic.twitter.com/oA6e3eaA4E
— The Saudi Post (@TheSaudi_post) August 7, 2023
Tweet in der Saudi Post:
Der israelische Außenminister Eli Cohen:
Wenn der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan uns besucht, ist es ein Festtag in Israel
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2 Antworten zu “Iran und Saudi-Arabien: Diplomatische Eiszeit geht weiter”
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Die israelische Regierung darf kein weiteres Land an die Palästinenser abgeben für eine Normalisierung mit Saudi Arabien.
Man kann keine diplomatischen mit Ländern unterhalten, die Israel hassen und vernichten wollen. Von den Feinden Israels und ihren Göttern muss man Abstand halten, es sind Satan und seine Dämonen.