
(Gil Tanenbaum-TPS) Israels Justizminister Yariv Levin gab am Mittwochabend eine landesweite Pressekonferenz, auf der er die Pläne der neuen Regierung in Bezug auf eine drastische Justizreform vorstellte, die nach seinen Worten die israelische Demokratie “retten” soll. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehören die Einschränkung der Befugnis des Obersten Gerichtshofs, von der Knesset verabschiedete Gesetze zu kippen, die Änderung der Beziehungen zwischen dem Generalstaatsanwalt und der Regierung sowie die Demokratisierung des Verfahrens, nach dem die Richter ausgewählt werden.
Gewaltenteilung
Kurz nach Beginn der 20-Uhr-Abendnachrichten der drei israelischen Fernsehsender – die alle eine hohe Einschaltquote haben -, sprach Levin in einer Rede von seiner Absicht, die Gewaltenteilung und die Gleichberechtigung der drei israelischen Staatsgewalten – Knesset, Regierung und Justiz – sicherzustellen.
Dabei erklärte er das israelische Kabinett zu einer eigenen, von der Knesset getrennten Einheit, ähnlich dem amerikanischen System der Zweigstellen der Regierung. Allerdings gibt es in Israel keine schriftliche Verfassung wie in den USA, was Teil des Problems ist, das Levin nach eigenen Angaben durch die Verabschiedung neuer Gesetze lösen will, die die Grenzen zwischen den Regierungszweigstellen festlegen.
Kontrolle des Obersten Gerichtshofs
Levin kündigte an, das Verfahren zur Ernennung von Richtern zu ändern, wodurch sich die Macht von den Vertretern des Rechtssystems auf die Mitglieder der Knesset und die Minister der Regierung verlagern wird. Heute wählt ein Ausschuss, der sich aus Richtern und Anwaltsvertretern zusammensetzt, hinter verschlossenen Türen neue Richter aus, und es wird erwartet, dass die Regierung diese Auswahl billigt.
“Die Richter werden sich nicht mehr selbst auswählen”, erklärte Levin.
Nach der vorgeschlagenen Reform sollen dem Auswahlausschuss zwei Vertreter angehören, die vom Justizminister und nicht von der – wie Levin es nannte – “sektoralen” Anwaltskammer ausgewählt werden.
Levin sagte, dass diese Reform das Justizsystem stärken und ihm “das öffentliche Vertrauen zurückgeben” werde.
Rückgabe der Macht an das Volk
Levin sprach auch über die Absicht der Regierung, eine umstrittene “Überlegenheitsklausel” einzuführen, die die Knesset ermächtigen würde, Urteile des Obersten Gerichtshofs, welche Knesset- oder Regierungsbeschlüsse aufheben, außer Kraft zu setzen, sofern sie mit einer absoluten Mehrheit von 61 von 120 Abgeordneten verabschiedet werden.
Die Befürworter dieser Klausel behaupten, dass der Oberste Gerichtshof Israels im Vergleich zu den Obersten Gerichten anderer westlicher Demokratien einen sehr aktivistischen Ansatz verfolge und dazu neige, sich einzumischen und Entscheidungen gewählter Politiker aufzuheben.
Die neue “Überlegenheitsklausel”, so argumentieren sie, wird diese Situation ausgleichen.
Gegner sagen, dass die Klausel die Autorität des Gerichts praktisch aufhebe.
Das Vertrauen in die Demokratie wiederherstellen
In seiner Rede wies Yariv Levin Behauptungen zurück, diese Reformen würden der israelischen Demokratie schaden. Das Gegenteil sei der Fall: Levin erklärte, all dies werde das Vertrauen der israelischen Öffentlichkeit in ihre Demokratie wiederherstellen.
Levin erklärte, dass alle demokratischen Institutionen Israels auf das Vertrauen der Öffentlichkeit angewiesen sind.
“Die zunehmende Einmischung der Gerichte in die von der Knesset verabschiedeten Gesetze”, so Levin, “hat das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Gerichtssystem auf einen gefährlichen Tiefstand gesenkt.”
“Immer wieder entscheiden Leute, die wir nicht gewählt haben, für uns”, fügte Levin hinzu und deutete an, dass das derzeitige System, in dem der Oberste Gerichtshof Israels Gesetze aufhebt, obwohl er nie vom Volk (d.h. der Knesset) dazu ermächtigt wurde, undemokratisch sei.
“Das ist keine Demokratie”, betonte er.
Siehe dazu auch: Oberste Priorität: Reformen im Justizsystem
Einschränkung der richterlichen Subjektivität
Ein weiterer wichtiger Teil der von Levin vorgestellten Reform ist der so genannte “Wahrscheinlichkeitsgrund”, der es Richtern ermöglicht, Gesetze der Knesset und Regierungsentscheidungen auf der Grundlage dessen auszuhebeln, was sie selbst für “wahrscheinlich” oder “unwahrscheinlich” halten. Die Reform würde dies in Zukunft verhindern.
Levin und die Befürworter seiner Reform argumentieren, dass juristische Entscheidungen auf der Grundlage spezifischer Richtlinien getroffen werden müssen und nicht auf der Grundlage der subjektiven Ansichten der Richter.
Beschränkung des Amtes des Generalstaatsanwalts
Im Vorfeld wurde erwartet, dass Levin vorschlagen würde, das Amt des Generalstaatsanwalts aufzuteilen. Israel ist eine der wenigen Demokratien, in denen der Generalstaatsanwalt auch als oberster Rechtsberater der Regierung fungiert. Dies hat zur Folge, dass die Entscheidungen des Generalstaatsanwalts verbindlich sind und nicht als Empfehlungen angesehen werden.
Levin jedoch ging noch einen Schritt weiter.
Der Generalstaatsanwalt in Israel wird im Hebräischen als “Rechtsberater” der Regierung bezeichnet. Levin möchte, dass dies nun wörtlich genommen wird und sich das Amt auf die Abgabe von Ratschlägen und Rechtsgutachten beschränkt.
“Die Generalstaatsanwälte können der Regierung nicht mehr sagen, was sie zu tun hat, sie sind Berater und arbeiten für die Regierung, nicht umgekehrt”, erklärte er. Anstatt den Posten in zwei oder mehr Stellen aufzuteilen, will der Justizminister nun neue Gesetze durchsetzen, um die Befugnisse der Generalstaatsanwaltschaft einzuschränken.
“Die Regierung wird regieren, der Berater wird beraten und die Richter werden urteilen”, erklärte er.
Scharfe Opposition
Levin setzt sich seit 20 Jahren für eine Rechtsreform ein, auch schon vor seiner Wahl in die Knesset. Sein Plan wird von allen Parteien der Regierungskoalition unterstützt, stößt aber bei der Linken und innerhalb des Rechtssystems selbst auf heftige Kritik.
Die Koalitionsregierung von Benjamin Netanjahu verfügt in der 120 Sitze zählenden Knesset über eine Mehrheit von 64 zu 56 Stimmen. Jedes Regierungsgesetz – ein so genanntes “Grundgesetz” – muss mit 61 Stimmen, also einer absoluten Mehrheit, verabschiedet werden. Dies dürfte für die derzeitige Regierung kein Problem darstellen.
Die Reformen könnten jedoch von einer künftigen Regierung mit einer 61er-Mehrheit jederzeit wieder rückgängig gemacht werden.
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