
„Putin ist ein Schurke. Trump ist ein Schurke. Doch der schlauste Schurke unter allen ist unser Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.“
Mit diesen Worten erklärte mir ein Freund, weshalb er alle Jahre wieder Bibi wähle. „Wir brauchen einen Schurken, einen Gauner an der Spitze, denn wir leben in einer irren und wilden Region“, war seine Erklärung. „Bibi ist der Einzige, der mit den arabischen Diktatoren in unserer Nachbarschaft umgehen kann. Er lässt sich nicht übers Ohr hauen. Das ist für mich wichtiger als ein moralisches Vorbild.“ Dieser Meinung sind viele seiner Wähler und Fans, die im Land „Bibistim“ genannt werden. Was Bibis Fans als Vorteil sehen, betrachten Netanjahus Gegner als Nachteil. Sie wollen keinen Schurken an der Volksspitze.

Israels führender Fernsehmoderator Tom Aharon formulierte es folgendermaßen: „Dass die Mehrheit im Volk immer wieder Netanjahu wählt, geschieht nicht trotz der Anklagen, sondern dank der Anklagen und Gerichtsverfahren gegen ihn. Das lehrt uns etwas über die israelische Einstellung in Bezug auf Autorität. Ich denke langsam, dass wir uns für Bibi entscheiden, weil wir damit an höchster Position die Legitimierung für eine Politik gewinnen, die es nicht immer so genau nimmt. Wir genießen es, die Heiligkeit der Disziplin und der guten Staatsbürgerschaft auszuhöhlen, dazu den Respekt vor Vorschriften. Wir beschweren uns gern über Politiker, die kein persönliches Vorbild sind. Aber wir fühlen uns besser, wenn auch wir es nicht immer so genau nehmen müssen.“
Aharon ist der Meinung, es sei für alle relativ bequem, dass der moralische Standard im Land so niedrig sei, weil wir uns alle damit der Verantwortung entziehen können. Auf nationaler Ebene haben wir einen Ball im Spielfeld. Eine geniale Ausrede für alle im Volk. „Wer ist also das dumme Kind in der Schulklasse, das die freie Schulstunde in der Klasse beenden möchte, nur weil der Lehrer heimlich um die Ecke Zigarren raucht.“ Damit meint er natürlich Bibi. Wenn der dem Volk einen Gefallen tut, warum sollen wir ihn abwählen, ist die Devise.

Doch Israels langjähriger Regierungschef hat mehrere Gesichter. Einige sehen in Bibi den gesalbten Gottes, den Messias und König David, ein Held, der keine Konkurrenz im Volk hat. Nicht nur im Land, sondern auch im Ausland schwärmen Christen vom Boten Gottes auf Erden, besonders in den USA. Mit Menschen, egal ob Juden oder Christen, die diese Einstellung haben, ist es schwer zu diskutieren. Aus ihrer Sicht hat Bibi dem Staat Israel viel geleistet und das stimmt. Aus ihrer Sicht ist Bibi in dieser Zeit auch nicht auswechselbar und das stimmt auch zum Teil. Dies verärgert natürlich seine Gegner, die es nicht verkraften können, dass Bibi trotz seiner politischen Gaunerei wie ein Messias und Bote Gottes verherrlicht wird.

Die Menschen wählen Bibi entweder, weil er ein Schurke ist oder fast wie ein Erlöser. Es kann gut möglich sein, dass solch eine Auffassung für Menschen im Ausland fremd und seltsam anmutet. Aber aus israelischer Sicht verhelfen beide Darstellungen Bibi immer wieder zur Mehrheit im Volk. Um den wilden Osten inmitten arabischer Nationen zu überleben, muss man hinterlistige Fähigkeiten haben, um das Volk vor Niederlagen zu bewahren. Aus diesem Grund passen hier die Begriffe Gauner und Messias im Fall von Bibi zusammen. Christen beziehen den Begriff Messias gleich auf Jesus, aber in Israel ist dies nicht der Fall. Messias bedeutet in erster Linie ein Gesalbter Gottes, der das Volk erlösen muss, aber eher im politischen Sinne. Könige wie Saul, David und Salomo waren Gesalbte, aber auch der persische König Kyros war ein Gesalbter Gottes. Es waren Gesalbte und politische Erlöser, die in ihrer Zeit auch Gauner waren, ähnlich wie Israels heutiger Ministerpräsident.
Im Neuen Testament bekommt der hebräische Begriff Messias in seiner griechischen Übersetzung Christus und in Jesus eine geistliche Bedeutung der Erlösung. Daher kommen Christen mit dem Vergleich zwischen Bibi und Messias oft durcheinander und meinen Jesus spiegle sich in Bibi wider. Nein, das ist nicht der Fall. Wenige Tage vor dem jüdischen Passahfest Ende März, an dem sich das Volk Israel an die Erlösung aus der ägyptischen Sklaverei erinnert, muss das Volk wieder wählen. Wird der Gesalbte, auf Hebräisch Messias, Benjamin Netanjahu wiedergewählt oder endet sein Dienst als Gesalbter, wie die Dienste der drei ersten Könige im Volk Israel?
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2 Antworten zu “Schurke und Messias”
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Hallo,
Entschuldigung, welche Wahl wird hier gemeint? Danke!
Gottes reichen Segen!
Mati
Wichtig ist, dass der Anführer Israels Erfahrung im politischen Überlebenskampf hat und nicht vor lauter Angst vor den Feinden, ihnen ein Zugeständnis nach dem anderen macht. Das Oslo-Abkommen und das Gasabkommen mit dem Libanon waren große und grobe, politische Fehler aus Schwäche und Angst heraus. Israels Führer darf nicht vor internationalem, politischen Druck zusammen brechen und nachgeben, wenn es um Landabgabe usw. geht. Sonst sind die Israelis früher oder später dem Untergang geweiht. Und den Untergang der Juden und Israelis wünschen sich sehr viele Menschen auf der Welt insgeheim, gerade große Politiker, auch in Amerika. Diesen Wunsch des Untergangs darf kein Anführer der israelischen Politik erfüllen, sonst hat er das Amt eines Präsidenten oder Bundeskanzlers von Israel nicht verdient. Als Anführer hat man sein Volk zu schützen und nicht für private Zwecke und Deals zu verraten und verkaufen. Das endet nämlich früher oder später in politischem Selbstmord.