
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist wütend auf den Generalstab und tut sich schwer, sich für den nächsten Schritt zu entscheiden, die angekündigte Bodeninvasion im Gazastreifen. Hinzu kommt das Dilemma der israelischen Geiseln im Gazastreifen. Die israelische Führung muss dringend aufwachen und zuerst dem Volk und nicht sich selbst dienen.
„Netanjahu, so sagen politische und militärische Quellen, gibt dem Generalstab und dem Sicherheitssystem die Schuld für das gesamte Versagen im Süden“, schrieben Dr. Ronen Bergmann und Nahum Barnea heute Morgen in einem Kommentar. Beide sind führende Publizisten mit engen Verbindungen sowohl zur Regierung als auch zum israelischen Sicherheitsapparat.
היום ב”ידיעות אחרונות”:
משבר אמון בין נתניהו לצבא: 17 יום אחרי המתקפה הרצחנית, ישראל נתונה במלכוד | @ronenbergman, נחום ברנע
מלחמה בארבע חזיתות: בעזה, בלבנון, באיו”ש ובסוריה
מחנה פליטים בלב המדינה: כ-120 אלף איש עזבו עד כה בתיהם בדרום ובצפון pic.twitter.com/hyHsH5iSiN
— ידיעות אחרונות (@YediotAhronot) October 23, 2023
Heute in „Yediot Ahronoth“:
Vertrauenskrise zwischen Netanyahu und der Armee: 17 Tage nach dem mörderischen Angriff sitzt Israel in der Falle.
@ronenbergman
Nahum Barnea
Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Netanjahu und seinem Verteidigungsminister ist angespannt. Der israelische Regierungschef hat das Vertrauen in seinen militärischen Stab verloren und glaubt nur bedingt an die vorgeschlagenen Pläne.
In den arabischen Medien sorgten die Schlagzeilen der beiden für noch größere Schlagzeilen. Eine Vertrauenskrise zwischen politischer und militärischer Führung ist für unsere Feinde immer ein gutes Zeichen. Und so wird es in den arabischen Medien vermarktet.
عاجل | يديعوت أحرونوت: خلافات بين نتنياهو وكبار المسؤولين في الجيش بشأن التقييمات والخطط والقرارات pic.twitter.com/rQDsx7bFPL
— الجزيرة مصر (@AJA_Egypt) October 23, 2023
Post: Eilmeldung
Yedioth Ahronoth: Meinungsverschiedenheiten zwischen Netanjahu und hochrangigen Armeevertretern über Einschätzungen, Pläne und Entscheidungen
Bergmann und Barnea berichten, dass Netanjahu in den nächtlichen Sicherheitssitzungen oft keine Geduld für die Vorschläge der hochrangigen Offiziere hat und sich nicht entscheiden kann. Diskussionen im Kriegskabinett mit den Generälen seien nicht das Thema, alle scheinen eine gewisse Angst vor dem Tag der Abrechnung nach dem Krieg zu haben. Bisher haben sich drei Chefs des israelischen Sicherheitsapparates öffentlich vor der Kamera zu ihrer Verantwortung bekannt. Darunter der Chef des israelischen Sicherheitsdienstes Shin Bet, Ronen Bar, Generalstabschef Herzi Halevi und der Chef des militärischen Nachrichtendienstes, Aman Aharon Haliva. Ministerpräsident Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Galant haben sich noch nicht dazu geäußert.
Auch diese Woche sagten mehrere Minister, dass Netanjahu derjenige sei, der die Bodeninvasion oder den Kriegsbefehl immer wieder verschiebe und dafür ständig andere Ausreden habe. Ein Minister, der anonym bleiben wollte, nannte Netanjahu einen Feigling. Einmal wurde die Bodeninvasion wegen Regens verschoben, ein anderes Mal wegen ausländischer Staatschefs im Land, dann wegen eines Telefonanrufs von Schass-Führer Arieh Deri, der Bedenken gegenüber einem Bodenkrieg im Gazastreifen äußerte. Letzte Woche berichteten wir bereits, dass Netanjahu einen Angriffsplan seines Generalstabs gegen die Hisbollah im Libanon abgesagt hatte. Das und vieles mehr erklärt die Stimmung in der Armee. Ich habe in den letzten Tagen mit vielen Offizieren im Süden und auch im Norden gesprochen und alle haben mir dasselbe gesagt: Das Zögern ist nicht gesund und kann für Israel zur Falle werden. In der Zwischenzeit wird trainiert, aber die Ungewissheit ist nicht gesund für die Soldaten, die alle auf den Befehl warten.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Treffen mit Mitgliedern des Kriegskabinetts und hochrangigen Vertretern des Sicherheitsapparates in der Kirya in Tel Aviv. Video: Roi Avraham/GPO
Die israelische Gesellschaft ist voll und ganz für einen Krieg, Israels Führung und Militär sind es weniger. Netanjahu befindet sich in einer Situation, in der er sich nicht sicher ist, ob die aktuellen Kriegs- und Verteidigungspläne richtig sind und zum Sieg führen werden, nachdem der gesamte Sicherheitsapparat am 7. Oktober, dem schwarzen Schabbat, versagt hat. Alles im Land ist wie gelähmt. Alles wird infrage gestellt, und das ist nicht gut für die Moral des Volkes. „Die Minister der Regierung stehen noch unter Schock und sind noch nicht wachgerüttelt“, wird ein Minister zitiert. Irgendwie verstehen alle in der Regierung, dass sie das Vertrauen des Volkes verloren haben. Einer Umfrage der Zeitung Maariv zufolge sind 80 Prozent der Israelis der Meinung, dass der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu die Verantwortung für das Scheitern im Süden übernehmen sollte. Unter seinen rechten Likud-Wählern sind 70 Prozent dieser Meinung. Die Minister der israelischen Regierung sowie die Chefs und führenden Generäle des Sicherheitsapparates fürchten alle den Sturm nach dem Krieg. Daher scheinen sie sich nicht genug auf die eigentliche Sache konzentrieren zu können, nämlich das Volk zu beschützen und den Krieg zu gewinnen.
Man könnte sagen, Israel befindet sich in einem Catch-23. Ich bin mir sicher, dass viele von euch den Klassiker Catch-22 gelesen haben, der eine Sackgasse beschreibt, aus der ein Individuum aufgrund widersprüchlicher Regeln nicht entkommen kann. In unserem Fall ist es die Regierung des Volkes Israel. Aus diesem Grund haben wir alle im Land verstanden, dass die gegenseitigen Beschuldigungen in dieser Zeit der Not beiseite gelegt werden müssen, sonst spielen wir wirklich unseren Feinden in die Hände. Israel hat einen Krieg zu gewinnen, und wenn unsere Minister und Generäle das nicht verstehen, dann können wir unsere Koffer packen. Natürlich ist das nicht meine persönliche Meinung, aber es ist die Meinung des Volkes, und das, was Bergmann und Barnea heute Morgen veröffentlicht haben, bestätigt unsere Gefühle, unseren Instinkt und das, was wir vom Volk hören.
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3 Antworten zu “Vertrauenskrise zwischen Generalstab und Benjamin Netanjahu”
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Wieso wird Netanjahu nicht parlamentarisch abgewählt; er hat durch seinen Plan, die Gewaltenteilung in Israel abzuschaffen durch die Parteien, die Israel mit ihren Millionen Orthodoxen, die nicht in den IDF dienen, das Land monatelang gespalten und frei nach “divide et impera” Israel massiv geschwächt…
Das Leid tragen andere viel stärker als er; die Opfer, die Verschleppten, ihre Familien, Israel und alle, die mit Juden mitfühlen, auch Deutsche, die für euch alle beten.
@ Klaus Dieter Wilk: ich teile Ihre Einschätzung zu den Leidtragenden und dass Netanjahu das Feld räumen muss. Aber er sollte das nach gewonnenem Krieg machen. Es ist jedoch nicht korrekt, dass er die Gewaltenteilung abschaffen wollte, sondern den Überhang der Judikative eindämmen. Das wäre schon viel früher nötig gewesen. Zudem hat Israel nicht Millionen von Orthodoxen, welche nicht in der IDF dienen.
Lieber Herr Kunz,
nach meinem Kenntnisstand leben in Israel mindestens 2 Mio. orthodoxer Juden, die lt. meiner in Israel lebenden jüdischen Informandin nur dem Tora-Studium nachgingen, dem säkularen Staat aber nirgendwo eine Unterstützung zukommen ließen. Diese Personengruppe werde “Krähen” bzw. “Mohrenköpfe” von den liberalen Juden genannt, weil sie wie eine Made im Speck vom Staat lebten (vgl. z.B. Nutzen der Infrastruktur, Sicherheit, finanzielle Unterstützung) aber z.B. nichts für die Allgemeinheit im Land Israel täten.
Was die Justizreform betrifft, so habe ich sie jedenfalls verstanden, will eine oder mehrere der mit Netanjahu koalierenden Partei(en) die oberste Gerichtsbarkeit dahingehend schwächen, dass die Regierung Israels in ihrer Gesetzgebung nicht mehr korrigiert werden kann durch säkulare Richter. Damit wäre die Judikative massiv geschwächt. Aus diesem Grund ging das säkulare Israel Monat für Monat auf die Straße, um Israel als Theokratie zu verhindern.