
Meine Stadt Modiin gilt normalerweise als eine sehr ruhige, für viele sogar langweilige Stadt. Sie ist als sogenannte “Schlafstadt” bekannt, also eine Stadt, in der man nur die Nacht verbringt, um am nächsten Morgen dann gleich wieder zur Arbeit in eine andere Stadt zu fahren.
Auch unser ältester Sohn teilt diese Meinung über Modiin. Nach nur einem halben Jahr in der eigenen Wohnung in Modiin zog es ihn und seine Frau wieder zurück nach Tel Aviv, wo beide auch arbeiten. Er hatte keine Lust auf dieses Pendeln zwischen Modiin und Tel Aviv. Ich kann ihn schon verstehen, doch ich persönlich liebte es im vergangenen Jahr, nach der Arbeit in Ramat Gan wieder zurück in mein ruhiges Modiin zu kommen. Das heißt jetzt nicht, dass ich Tel Aviv nicht mag, ganz im Gegenteil, ich liebe es, durch Tel Aviv zu spazieren und diese besondere freie Atmosphäre zu spüren. Doch zum Wohnen ist es mir dort dann doch zu hektisch. Ich brauche die Ruhe, die ich hier in Modiin habe.
Doch von dieser Ruhe ist seit 27 Wochen, als die Demonstrationen gegen die umstrittene Justizreform begannen, nicht mehr viel übrig. Denn wir wohnen, wie ich schon erzählt hatte, nur fünf Häuser von unserem Justizminister Yariv Levin entfernt. Wer heute Modiin hört, denkt nicht mehr an die ruhige “Schlafstadt”, denn mit der Ruhe ist es leider vorbei.
Mehrmals in der Woche gibt es geplante und auch spontane Proteste vor dem Haus unseres Nachbarn. Von einer besonders heftigen Demonstration morgens um halb sechs hatte ich Ihnen ja schon erzählt. Hier ein kurzes Video, dass ich von unserem Garten aus aufgenommen habe. Es zeigt den Unterschied zwischen der von mir so geliebten Ruhe am Shabbatmorgen und den Krach, den wir hier regelmäßig erdulden müssen:
Das ist unser Shabbat in Modiin seit rund 27 Wochen. Und in der letzten Zeit scheint es immer schlimmer zu werden. Modiin ist in aller Munde. Vor ein paar Tagen musste ich während einer weiteren Demonstration zweimal meinen Ausweis zeigen, um nach Hause in meine Straße zu kommen. Das ist die “Schlafstadt” Modiin.
Von unserem Garten aus habe ich einen wunderbaren Blick auf einen Hügel, der Teil der sogenannten “Südlichen Hügel von Modiin” ist, die vor kurzem zu einem “Nationalpark” erklärt wurden. Leider wird dieser Hügel jetzt auch von den Demonstranten gegen die Justizreform benutzt.

Ich mag so etwas nicht. Dabei ist es mir egal, wer demonstriert. Und so schrieb ich per WhatsApp eine Nachricht an die Stadtverwaltung von Modiin. Und nach kurzer Zeit bekam ich einen Anruf eines Mitarbeiters der Stadt. “Hier spricht Avi, ich stehe in Deiner Straße, wo genau ist dieses Schild?” wurde ich gefragt. Ich war überrascht. Wenig später war ich in meinem Garten und gab Richtungsanweisungen für den Mitarbeiter, der auf den Hügel gestiegen war, um das Schild zu entfernen. “Du hast ja keine Ahnung, wie viele Schilder wir schon gefunden haben…”, erzählte mir Avi nebenbei. “Aber wo genau ist jetzt dieses Schild?”

“Noch etwas nach rechts und dann nach oben….ja genau!”, sagte ich. “Ja, wir haben es, danke”, antwortete Avi. Ein weiteres Schild konnte nicht entfernt werden, es stand hinter einem elektrischen Zaun, der die Kühe, die dort oft weiden, daran hindern soll, auf die Straße zu gelangen. Ich werde mich an dieses Schild gewöhnen müssen. Es wird wohl auch nicht lange dauern, bis es wieder neue Schilder geben wird, mit mehr oder weniger netten Worten für unseren Nachbarn, wie zum Beispiel das riesige Schild, das ich als Titelbild genommen habe, das vor ein paar Tagen während einer besonders heftigen Demonstration aufgestellt worden war. Dort wurde der Vorname des Justizministers, Yariv, missbraucht. Yariv bedeutet auf Hebräisch “Gegner”.
Ich vermisse meine ruhige Stadt Modiin. Doch bis es wieder Ruhe geben wird, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern. Gestern Abend war ich mit meinem jüngsten Sohn noch in die Stadt gefahren, um etwas zu essen. Und leider war es auch dort alles andere als still.
Demonstration vor der Polizeistation in Modiin. Die Demonstranten fordern die Freilassung eines Demonstranten, der während einer Protestaktion festgenommen worden war.
Mittlerweile höre ich die Schreie der Demonstranten auch, wenn es keine Proteste gibt. Sie sind ein Teil von mir geworden. Dieser Streit muss aufhören. Sonst könnte ich ja auch nach Tel Aviv ziehen.
Israel Heute Mitgliedschaft
Eine Antwort zu “Modiin ist keine Schlafstadt mehr”
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Das tut mir leid- hoffentlich hören die Unruhen bald auf und suchen und finden manche der Unruhestifter Frieden und Ruhe bei Jeschua ha Maschiach!
Könnten Sie vielleicht ein Banner mit dem Hinweis auf den Friedensfürsten aufhängen bzw. über die anderen Banner hängen?
Weisheit und Hilfe wegen Ihrer Umzugsgedanken,
Shalom!