ANALYSE: Israelisch-saudische Annäherung zeichnet sich ab

Es gibt zudem Anzeichen dafür, dass sich unter der neuen saudischen Führung eine andere Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt abzeichnet.

von Yochanan Visser | | Themen: Abraham Abkommen, Saudi Arabien
Illustration. Der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al Saud Foto: EPA-EFE/HAYOUNG JEON

In dieser Analyse geht es um die sich nun rasant verändernden Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien, die unter der Führung von Kronprinz Mohammed bin Salman (kurz: MBS) eine wahre Metamorphose durchlaufen. Diese Metamorphose soll das Königreich modernisieren und die dortige Gesellschaft stärker an das anpassen, was in modernen Staaten üblich ist.

Im Vorfeld des Besuchs von US-Präsident Joe Biden in Israel und Saudi-Arabien wurde ausgiebig über eine Ausdehnung der sogenannten Abraham-Abkommen zwischen Israel und einigen arabischen Golfstaaten sowie Marokko spekuliert.

Auch Saudi-Arabien könnte nun kurz davor stehen, die Beziehungen zu Israel offiziell zu normalisieren, so die Vermutung.

Diese Spekulationen wurden durch eine Reihe von Medienberichten über starke Veränderungen in der Haltung Saudi-Arabiens gegenüber Israel angeheizt. Dazu später mehr.

Es gibt jedoch auch Anzeichen dafür, dass die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien zum jetzigen Zeitpunkt nicht verwirklicht werden wird.

Das liegt vor allem an der Haltung des offiziellen Herrschers von Saudi-Arabien, König Salman, der angeblich an Alzheimer leidet und die Normalisierung der Beziehungen zu Israel immer noch an einen Frieden zwischen Israel und den palästinensischen Arabern knüpft.

Mit anderen Worten: Israel muss einen palästinensischen Staat in Judäa und Samaria anerkennen und sich aus diesen Gebieten, einschließlich des arabischen Jerusalem, zurückziehen.

Diese Position schien vom saudischen Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud bestätigt zu werden, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in diesem Jahr erklärte, dass die offiziellen Beziehungen zu Israel nach wie vor von einer friedlichen Beilegung des Konflikts mit den palästinensischen Arabern abhängen.

 

Die Vision von MBS

Kronprinz Mohammed bin Salman (der in der Presse allgemein als MBS bezeichnet wird) scheint in dieser Frage jedoch eine ganz andere Sichtweise zu haben, denn er sagte im März offen, dass Israel “ein potenzieller Verbündeter” sei und dass beide Länder “viele Interessen teilen, die wir gemeinsam verfolgen können”.

So geschehen in einem Interview mit dem amerikanischen Nachrichtenmagazin The Atlantic.

Anfang Juni berichtete die amerikanische Zeitung The Wall Street Journal, dass Saudi-Arabien seine geheimen Kontakte zur israelischen Regierung ausbaut.

Dies, nachdem Yair Lapid, Israels Außenminister und jetziger geschäftsführender Ministerpräsident, zugegeben hatte, dass es geheime Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten, Israel und den arabischen Golfstaaten gegeben hatte.

Bei diesen Gesprächen ging es um die mögliche Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel.

Lapids Äußerung erfolgte nach zahlreichen Medienberichten über die geheimen Versuche der Regierung Biden, eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien zu ermöglichen.

 

Bidens Kehrtwende in den Beziehungen der USA zu Saudi-Arabien

Biden ist eindeutig von seinem früheren Wahlversprechen abgerückt, er werde das saudische Königreich und MBS isolieren, nachdem festgestellt worden war, dass der De-facto-Führer Saudi-Arabiens hinter dem Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi steckt.

Nach internationalem Druck hat MBS in der Tat die “Verantwortung” für die Liquidierung des regimekritischen Journalisten übernommen, der Anfang 2018 von einem Team saudischer Agenten im Konsulat des Landes in Istanbul ermordet wurde.

Angesichts der Tatsache, dass Bidens Position in den USA aufgrund zahlreicher interner Probleme stark unter Druck geraten ist, scheint ein Erfolg an der außenpolitischen Front mehr als willkommen.

Dies und die Senkung des Ölpreises sowie die zunehmende Bedrohung des Weltfriedens durch den Iran scheinen die Gründe für Bidens politischen Kurswechsel zu sein.

 

Uneinigkeit über den Umgang mit der iranischen Bedrohung

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Jerusalem am vergangenen Donnerstag waren sich Biden und Lapid offen uneinig darüber, wie mit dem Iran weiter zu verfahren sei.

Lapid wandte sich an Biden und sagte, es müsse eine glaubwürdige militärische Drohung geben, um den Iran davon abzuhalten, ein nuklearer Schwellenstaat zu werden.

Biden erwiderte jedoch, er glaube nach wie vor an die Diplomatie als bestes Mittel zur Eindämmung des Iran.

Er hätte hinzufügen können, dass er nach Saudi-Arabien fliegt, um das Land offiziell in die Anti-Iran-Koalition, bestehend aus Israel und gemäßigten arabischen Ländern, zu führen.

Eine ähnliche Politik verfolgt Biden im Fall des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, wo er Kiew Waffen und andere militärische Hilfe leistet, ein direktes militärisches Eingreifen der USA aber ausschließt.

 

Änderung der Haltung gegenüber Israel

Der US-Präsident war am Freitag direkt vom Flughafen Ben Gurion in die Hafenstadt Dschidda geflogen.

Bidens Reise fiel mit einem offiziellen Bericht zusammen, wonach Saudi-Arabien seinen Luftraum für israelische Fluggesellschaften öffnen wird, die in andere Golfstaaten oder nach Asien fliegen.

Dieser Schritt erfolgte, nachdem Saudi-Arabien zuvor die Ausstellung von Visa für israelische Geschäftsleute genehmigt hatte.

Dutzende von israelischen Geschäftsleuten haben seither von dieser Maßnahme profitiert, es wurden Geschäfte über die Lieferung von medizinischen Geräten, grünen Energieprojekten, Wassergewinnungsanlagen und anderen israelischen Erfindungen im Bereich der Landwirtschaft abgeschlossen.

All diese israelischen Erfindungen und Projekte benötigt MBS, um sein ehrgeiziges Projekt VISION 2030 zu verwirklichen.

Dieses riesige Wirtschaftsprojekt umfasst neben anderen Reformen und wirtschaftlichen Anreizen den Bau der gigantischen Stadt Neom in der Provinz Tabuk in der westlichen Wüste Saudi-Arabiens und entlang der Küste des Roten Meeres.

Das 500-Milliarden-Dollar-Projekt umfasst Solarenergieprojekte, Entsalzungsanlagen und eine auf Hydrokulturen basierende Landwirtschaft.

Israel könnte einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung sowohl der VISION 2030 als auch von Neom leisten.

Aus diesem Grund besuchte Ex-Premierminister Benjamin Netanjahu im November 2020 heimlich Neom, wo der jetzige israelische Oppositionsführer im Beisein von Mike Pompeo, dem ehemaligen US-Außenminister, mit MBS zusammentraf.

Laut Dr. Nirit Ofit, der Geschäftsführerin der israelischen Handelskammer für die Golfstaaten, boomen die Projekte des israelischen Privatsektors in Saudi-Arabien.

Sie führt dies auf die Tatsache zurück, dass Geschäftsleute nicht durch diplomatische Hürden behindert werden, sondern ausschließlich von Geschäftsinteressen geleitet sind.

 

Geheimdienstliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien näher rückt, ist die bisher geheime Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern in nachrichtendienstlichen und anderen sicherheitsrelevanten Fragen.

Diese Zusammenarbeit hat in letzter Zeit erheblich zugenommen, und saudische Quellen berichten, dass ein hoher israelischer Sicherheitsbeamter kürzlich Riad besucht habe.

Berichten zufolge wurde Präsident Biden auf seiner Reise nach Saudi-Arabien auch von einem ungenannten israelischen Sicherheitsbeamten begleitet.

Bei diesem Beamten könnte es sich um den Mossad-Direktor David Barnea handeln, der seit einiger Zeit in Kontakt mit Kollegen des saudischen Auslandsgeheimdienstes steht.

Ähnliches spielte sich bereits bei der nachrichtendienstlichen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten vor der Unterzeichnung des Abraham-Abkommens ab, als Yossi Cohen Direktor des Mossad war.

 

Weitere Anzeichen für einen Wandel

In letzter Zeit mehren sich in den staatlich kontrollierten sozialen Medien und in der Mainstream-Presse in Saudi-Arabien die Rufe nach einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel.

Es gibt zudem Anzeichen dafür, dass sich unter MBS eine andere Vision über die mögliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts entwickelt.

So veröffentlichte die Nachrichtenseite Al Arabiya, die dem Haus Saud gehört, kürzlich einen Artikel von Ali Shihabibi, einem Berater von MBS, in dem die klassische Sichtweise der sogenannten Zwei-Staaten-Lösung aufgegeben wurde.

Stattdessen schlug Shihabibi vor, dass Jordanien eine Konföderation mit der Palästinensischen Autonomiebehörde eingeht und die von ihr verwalteten Gebiete kontrolliert.

Nach dieser Idee, die Shihabibi nicht ohne vorherige Rücksprache mit MBS veröffentlicht hätte, würde Israel seinen Anspruch auf das Jordantal aufgeben und im Gegenzug die Souveränität über ganz Jerusalem mit Ausnahme des Haram al-Sharif, des Tempelbergs, auf dem sich einige heilige Stätten der Muslime befinden, erhalten.

Nach einem solchen Friedensabkommen, so der MBS-Vertraute, gebe es für Israel keinen Grund, um seine Sicherheit zu fürchten, da Jordanien in den vergangenen 55 Jahren bewiesen habe, dass es in der Lage und willens sei, Frieden und Ruhe an seiner Grenze zu Israel zu bewahren, so Shihabibi.

Shihabibi schrieb, er glaube, dass die palästinensischen Araber keinen Grund hätten, seinen Plan abzulehnen, weil sie dann endlich eine normale Lebensperspektive hätten.

Die Araber in Jerusalem hätten bereits angedeutet, dass sie weiterhin unter israelischer Herrschaft leben möchten, sagte er und stützte seine Schlussfolgerung auf eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter diesen Arabern.

Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie daran interessiert wären, einen israelischen Pass zu erhalten.

Es wird erwartet, dass Saudi-Arabien unter MBS eine wichtigere Rolle im Friedensprozess zwischen Israel und den palästinensischen Arabern spielen wird, der nun schon seit Jahren ins Stocken geraten ist.

Das Gleiche gilt für die weitere Integration Israels in den Nahen Osten.

Schreibe einen Kommentar

Israel Today Newsletter

Daily news

FREE to your inbox

Israel Heute Newsletter

Tägliche Nachrichten

KOSTENLOS in Ihrer Inbox