
Die vom Generalstaatsanwalt vorgenommene Entscheidung, Ministerpräsident Netanjahu wegen Bestechung, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs in den drei Korruptionsfällen 4000, 2000 und 1000 zu verklagen, ist auf jeden Fall dramatisch. Zum ersten Mal in der Geschichte Israels wird einem amtierenden Ministerpräsidenten Korruption unterschiedlichen Grades vorgeworfen, von der schweren Anklage wegen Bestechung bis hin zur kaum fassbaren Anklage wegen Vertrauensmissbrauchs. Wie erwartet, jubelt die linke Wählerschaft. Die rechte Wählerschaft hingegen ist heute mehr denn je davon überzeugt, dass vor allem die Staatsanwaltschaft sich damit beschäftigte, Kriminalfälle für Netanjahu zu konstruieren, um ihn zu stürzen.
Einige Stunden später antwortete Netanjahu auf die Entscheidung vom Generalstaatsanwalt, ihn anzuklagen. Im Wesentlichen wiederholte er die Anschuldigung der Rechten, dass ein Putschversuch unternommen und die Demokratie gefährdet wurde, um Israel von dem unheiligen Joch zu befreien. Nicht nur von Benjamin Netanjahu, sondern von der gesamten politischen Rechten. Anstatt zurückzutreten, wie es seine Gegner von ihm erwartet hatten, kündigte Netanjahu an, dass er den Likud weiterhin in die nächste Wahl führen werde.
Damit trat er bewusst in das nächste juristische Schlachtfeld ein. Angeblich wurde von ihm gefordert, nach der Anklage und nicht erst nach der endgültigen Verurteilung zurückzutreten. Das Grundgesetz besagt unmissverständlich, dass der Ministerpräsident nur dann aus dem Amt entlassen werden kann, wenn er für schuldig befunden wird, oder wie es das Gesetz selbst sagt: „sollte das Urteil gemäß Abschnitt (a) [schuldig wegen Vergehens moralischer Verwerflichkeit]… endgültig werden, wird der Ministerpräsident sein Amt aufgeben und die Regierung soll als zurückgetreten gelten“.
Aber in Israel ist sogar dieses Grundgesetz umstritten und derjenige, der die offensichtliche Bedeutung dieses Gesetzes in Frage stellt, ist niemand Geringeres als der ehemalige Oberrichter Aharon Barak. Barak, der angeklagt ist, Israel der juristischen Oligarchie unterworfen zu haben, hat vor wenigen Tagen erklärt, dass die Entscheidung, ob Netanjahu jetzt zurücktreten soll oder nicht, dem Gericht überlassen werden sollte. Dies steht im Einklang mit der allgemeinen Rechtslage in Israel, wo nicht das Gesetz, sondern die Richter entscheiden, was legal ist und was nicht.
Und bis heute hat Generalstaatsanwalt Mandelblit bereits angekündigt, dass Netanjahu neben dem Amt des Ministerpräsidenten aus dem Ministerium für Gesundheit, Soziales, Landwirtschaft und Diaspora ausscheiden muss, welches er im Moment führt. Während das Grundgesetz besagt, dass der Ministerpräsident erst nach einem rechtskräftigen Gerichtsurteil zurücktreten muss, verlangt das gleiche Gesetz, dass die Minister schon aufgrund einer Anklage ihr Amt niederlegen. Darüber hinaus sagte Mandelblit, offiziell der Anwalt der Regierung, dass er den Ministerpräsidenten nicht vor Gericht verteidigen werde. Mandelblits Weigerung, Netanjahu zu verteidigen, ist auf die einzigartige Rolle des Generalstaatsanwalts in Israel zurückzuführen, der sowohl Staatsanwalt als auch Anwalt der Regierung ist.
Und als ob all dies nicht genug wäre, sagt Gideon Sa’ar, ein hochrangiges Likud-Mitglied, das hofft, Netanjahu zu ersetzen, jetzt, dass die Anklagen Netanjahu zu einer Last mache und er zum Wohle des Likud zurücktreten müsse. Damit schloss sich Sa’ar der Position der Partei Blau Weiß an, die schon die ganze Zeit sagten, dass Netanjahu das Problem ist, nicht der Likud. Ob Sa’ar den Beginn des Zerfalls von Netanjahus Unterstützung innerhalb des Likud signalisiert oder nicht, ist unklar.
Doch Netanjahu und seine Anhänger weigern sich, nachzugeben. Sie sind der Ansicht, dass er bis zum Ende weiterkämpfen sollte, denn sie glauben, dass er die Repräsentation eines politischen Lagers ist, das einem umfassenden Angriff der Delegitimierung der rechten Ideologie ausgesetzt ist, die sich unter anderem weigert, den jüdischen Charakter Israels loszulassen. Sie befürchten, dass der Sturz von Netanjahu sogar die israelische Demokratie beenden könnte, und dass das „Konstruieren“ von Kriminalfällen für Netanjahu nur ein Vorgeschmack dessen ist, was mit rechten Aktivisten unter einer linken Regierung passieren wird.
Obwohl eine solche pessimistische Sichtweise sehr subjektiv erscheint, sollte es keinen Zweifel daran geben, dass der politische Streit nicht mit Netanjahu aus dem Bild verschwinden wird. Diese Kluft, wie viele zu erkennen beginnen, wird nicht durch angeblich zynische oder korrupte Politiker verursacht. Die Kluft, wie nicht wenige bereits bemerkt haben, besteht zwischen zwei rivalisierenden Lagern, die nicht koexistieren können. Was wir jetzt sehen, ist das neue Gewand des alten jüdischen Kampfes zwischen Israeliten und Judäern, Hellenisten und Hasmonäern, Weltbürgern und Individualisten, Progressiven und Konservativen. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass, wenn Netanjahu auf undemokratische Weise gestürzt werden wird, die politische Kluft immer tiefer wird.
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