
Spannende Ergebnisse der israelischen Glioblastom-Forschung zeigen, dass die Beseitigung der Astrozyten – einer Hauptgruppe von Gehirnzellen, die einen Tumor umgeben – oder die Hemmung ihrer Fähigkeit, die Glioblastomzellen mit Energie zu versorgen, innerhalb weniger Tage zum Absterben der Krebszellen und zur Rückbildung des Tumors führt.
Die bahnbrechende Studie der Universität Tel Aviv hat das Glioblastom, eine hochgradig tödliche Form des Hirntumors, erfolgreich ausgerottet. Die Forscher erzielten dieses Ergebnis mit einer Methode, die sie auf der Grundlage ihrer Entdeckung von zwei entscheidenden Mechanismen im Gehirn, die das Wachstum und Überleben von Tumoren fördern, entwickelten: Der eine Mechanismus schützt die Krebszellen vor dem Immunsystem, während der andere die für ein schnelles Tumorwachstum erforderliche Energie liefert. Die Studie ergab, dass beide Wirkungsweisen von Gehirnzellen, den sogenannten Astrozyten, gesteuert werden, und dass die Tumorzellen absterben und vernichtet werden, wenn diese Gehirnzellen fehlen.
Die Studie wurde von der Doktorandin Rita Perelroizen unter der Leitung von Dr. Lior Mayo von der „Shmunis School of Biomedicine and Cancer Research“ und der „Sagol School of Neuroscience“ in Zusammenarbeit mit Prof. Eytan Ruppin von den „National Institutes of Health (NIH)“ in den USA durchgeführt.
Die Forscher erklärten: „Das Glioblastom ist ein äußerst aggressiver und invasiver Hirntumor, für den es noch keine wirksame Behandlung gibt. Die Tumorzellen sind sehr resistent gegen alle bekannten Therapien und leider hat sich die Lebenserwartung der Patienten in den letzten 50 Jahren nicht wesentlich erhöht. Unsere Erkenntnisse bilden eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung wirksamer Medikamente zur Behandlung des Glioblastoms und anderer Hirntumore.“
Dr. Mayo merkte an, dass sie in der Studie „die Herausforderung des Glioblastoms aus einem neuen Blickwinkel angegangen sind. Anstatt uns auf den Tumor zu konzentrieren, haben wir uns auf seine unterstützende Mikroumgebung konzentriert, d. h. auf das Gewebe, das die Tumorzellen umgibt. Insbesondere untersuchten wir Astrozyten – eine wichtige Gruppe von Gehirnzellen, die die normale Gehirnfunktion unterstützen. Diese wurden vor etwa 200 Jahren entdeckt und nach ihrem sternförmigen Aussehen benannt
In den letzten zehn Jahren hat die Forschung weitere Funktionen der Astrozyten aufgedeckt, die verschiedene Gehirnkrankheiten entweder lindern oder verschlimmern. Unter dem Mikroskop stellte das israelische Team fest, dass aktivierte Astrozyten Glioblastom-Tumoren umgeben. Aufgrund dieser Beobachtung begannen die Forscher, die Rolle der Astrozyten beim Wachstum von Glioblastom-Tumoren zu untersuchen.
Bei einem Tierversuch, bei dem sie aktive Astrozyten um den Tumor herum eliminieren konnten, fanden die Wissenschaftler heraus, dass alle Tiere mit Glioblastomtumoren im Umfeld von Astrozyten innerhalb von 4 – 5 Wochen an Krebs starben.
Als sie eine einzigartige Methode zur gezielten Beseitigung der Astrozyten in der Nähe des Tumors einsetzten, beobachteten sie ein eindrucksvolles Ergebnis: Der Krebs verschwand innerhalb weniger Tage und alle behandelten Tiere überlebten. Zudem blieben die meisten Tiere auch nach Absetzen der Behandlung am Leben.
„Ohne Astrozyten im direkten Umfeld verschwand der Tumor schnell, und in den meisten Fällen kam es zu keinem Rückfall – was darauf hindeutet, dass die Astrozyten für das Wachstum und Überleben des Tumors unerlässlich sind“, sagte Mayo. „Deshalb haben wir die zugrundeliegenden Wirkungsweisen untersucht: Wie verwandeln sich Astrozyten – also Zellen, die die normale Hirnaktivität unterstützen – in Zellen, die das bösartige Tumorwachstum fördern?“
Um diese Fragen zu beantworten, verglichen die Forscher die Genexpression von Astrozyten, die aus gesunden Gehirnen mit solchen, die aus Glioblastomtumoren isoliert wurden.
Sie fanden zwei Hauptunterschiede und konnten so die Veränderungen erkennen, die Astrozyten durchlaufen, wenn sie einem Glioblastom ausgesetzt sind. Die erste Veränderung betrifft die Immunreaktion auf das Glioblastom.
„Die Tumormasse enthält bis zu 40 % Immunzellen – meist Makrophagen, die aus dem Blut oder aus dem Gehirn selbst rekrutiert werden“, so Mayo. „Außerdem können Astrozyten Signale aussenden, die Immunzellen an Stellen im Gehirn, die Schutz benötigen, heranrufen. In dieser Studie haben wir herausgefunden, dass Astrozyten diese Aufgabe auch um Umfeld von Glioblastom-Tumoren erfüllen. Sobald die herbeigerufenen Immunzellen jedoch den Tumor erreichen, „überreden“ die Astrozyten sie, die Seite zu wechseln und den Tumor zu unterstützen, statt ihn anzugreifen. Konkret fanden wir heraus, dass die Astrozyten die Fähigkeit der rekrutierten Immunzellen, den Tumor sowohl direkt als auch indirekt anzugreifen, verändern – und damit den Tumor schützen und sein Wachstum fördern.“
Die zweite Veränderung, durch die Astrozyten das Glioblastom unterstützen, ist die Modulation ihres Zugangs zu Energie durch die Produktion und den Transfer von Cholesterin zu den Tumorzellen.
Mayo erklärte, dass „sich die bösartigen Glioblastomzellen schnell teilen – ein Prozess, der viel Energie erfordert. Da der Zugang zu den Energiequellen im Blut durch die Blut-Hirn-Schranke versperrt ist, müssen sie diese Energie aus dem Cholesterin beziehen, das im Gehirn selbst produziert wird – nämlich in der „Cholesterinfabrik’“der Astrozyten, die normalerweise Neuronen und andere Gehirnzellen mit Energie versorgt. Wir fanden heraus, dass die Astrozyten, die den Tumor umgeben, die Produktion von Cholesterin erhöhen und es an die Krebszellen liefern. Da der Tumor auf dieses Cholesterin als Hauptenergiequelle angewiesen ist, stellten wir die Hypothese auf, dass eine Unterbrechung dieser Versorgung den Tumor aushungern würde.“
Als Nächstes brachten die Forscher die Astrozyten in der Nähe des Tumors dazu, ein bestimmtes Protein, das Cholesterin transportiert (ABCA1), nicht mehr freizugeben, und hinderten sie so daran, Cholesterin in den Tumor abzugeben. Auch hier waren die Ergebnisse bahnbrechend: Da der Tumor keinen Zugang zu dem von den Astrozyten produzierten Cholesterin hatte, „verhungerte“ er in nur wenigen Tagen.
Diese bemerkenswerten Ergebnisse wurden sowohl in Tierversuchen als auch in Glioblastom-Proben von menschlichen Patienten erzielt und stehen im Einklang mit der Hungerhypothese der Forscher.
Mayo erklärte weiter, dass „diese Arbeit ein neues Licht auf die Rolle der Blut-Hirn-Schranke bei der Behandlung von Hirnerkrankungen wirft. Normalerweise hat diese Schranke die Aufgabe, das Gehirn zu schützen, indem sie den Übergang von Substanzen aus dem Blut in das Gehirn verhindert. Im Falle einer Hirnerkrankung erschwert diese Schranke jedoch die Verabreichung von Medikamenten an das Gehirn und gilt als Hindernis für die Behandlung. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Blut-Hirn-Schranke – zumindest im speziellen Fall des Glioblastoms – für künftige Behandlungen vorteilhaft sein könnte, da sie eine einzigartige Schwachstelle aufweist: die Abhängigkeit des Tumors von im Gehirn produziertem Cholesterin. Wir glauben, dass diese Schwäche zu einer bedeutenden therapeutischen Chance werden kann.“
Im Rahmen des Projekts wurden auch Datenbanken von Hunderten von menschlichen Glioblastom-Patienten untersucht und mit den oben beschriebenen Ergebnissen in verglichen.
„Bei jedem Patienten untersuchten wir die Expressionswerte von Genen, die entweder die Immunantwort neutralisieren oder den Tumor mit Energie auf Cholesterinbasis versorgen. Wir fanden heraus, dass Patienten mit einer geringen Freigabe dieser identifizierten Gene länger lebten, was die Annahme bestätigt, dass die identifizierten Gene und Prozesse für das Überleben von Glioblastom-Patienten wichtig sind“, erklärten die Forscher.
„Derzeit werden bei Tierversuchen, aber noch nicht beim Menschen, Mittel zur Beseitigung der Astrozyten, die den Tumor umgeben, eingesetzt. Die Herausforderung besteht nun darin, Medikamente zu entwickeln, die auf die spezifischen Prozesse in den Astrozyten abzielen, die das Tumorwachstum fördern. Alternativ können bestehende Medikamente so verändert werden, dass sie die in dieser Studie identifizierten Mechanismen hemmen“, so Mayo abschließend. „Wir glauben, dass die konzeptionellen Durchbrüche, die diese Studie liefert, den Erfolg im Kampf gegen das Glioblastom beschleunigen werden. Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse als Grundlage für die Entwicklung wirksamer Behandlungen gegen diesen tödlichen Hirntumor und andere Arten von Hirntumoren dienen werden.“
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