Katars Islamisierung der WM geht nach hinten los

Abgesehen von der ausgiebigen muslimischen Missionierung hat die Weltmeisterschaft nur die ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen des Golfstaates ins Rampenlicht gerückt.

von JNS | | Themen: Islam, Religion, Katar
Fans verfolgen das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar zwischen Argentinien und Frankreich in Ramat Gan
Foto: Tomer Neuberg/FLASH90

Die 22. Fußballweltmeisterschaft wird den Fans als eines der besten Endspiele in der Geschichte des Turniers in Erinnerung bleiben, aber auch als eines der kontroversesten Spiele.

Die Kontroversen haben nichts mit dem zu tun, was während der Spiele stattfand. Im Gegensatz zu anderen Weltmeisterschaften nutzte das diesjährige Gastgeberland Katar das weltweite Rampenlicht, um Fußballfans, Medien und andere Besucher zu missionieren.

Einige der umstrittensten radikal-islamistischen Prediger waren anwesend, darunter der indische Fernsehprediger Zakir Naik. Naik, der von den indischen Behörden wegen Geldwäsche und Volksverhetzung gesucht wird, reiste nach Katar, obwohl er 2021 eine Fatwa herausgegeben hatte, wonach Profifußball haram sei – verboten nach islamischem Recht. Berichten zufolge hielt er religiöse Vorträge und posierte für Fotos mit islamistischen Missionaren aus aller Welt.

“Wenn [Osama] bin Laden die Feinde des Islam bekämpft, bin ich für ihn”, sagte Naik 2006.

“Wenn er Amerika terrorisiert, der größte Terrorist, bin ich auf seiner Seite. Jeder Muslim sollte ein Terrorist sein.”

Naiks Anwesenheit war nur ein Beispiel für die religiöse Indoktrination der WM-Fans.

Das katarische Ministerium für Awqaf (Stiftungen) und islamische Angelegenheiten richtete einen Pavillon ein, um den WM-Fans den Islam vorzustellen. Die Regierung versammelte auch eine multinationale Gruppe von Predigern um sich, die bei den Besuchern für den Islam werben und sie zum Übertritt bewegen sollten, wie ein kurzes, von Al Jazeera veröffentlichtes Video zeigt.

In Hotelzimmern führten QR-Codes die Gäste zu Einführungen in den Koran und die Hadith (Aussprüche des Propheten Mohammed). Außerhalb der Stadien wurden Frauen Hijabs angeboten und ihnen wurde erklärt, wie sie diese zu tragen sind.

Eine Gruppe von Geistlichen wurde vor den Stadien postiert, um die Fußballfans über den Islam aufzuklären. 2.000 Freiwillige wurden für diese Aufgabe abgestellt.

Berühmte islamistische Fernsehprediger hielten während des Turniers ebenfalls Seminare über den Islam. Es wurden Broschüren über den Islam in sechs verschiedenen Sprachen verteilt. Wandgemälde mit Sprüchen Mohammeds schmückten die Straßen der katarischen Hauptstadt. Ein Fan der mexikanischen Nationalmannschaft wurde dabei gefilmt, wie er zum Islam konvertierte.

 Organisatorische Skandale

Abgesehen von den Predigten sorgte die konservative Ideologie Katars bei Fans und Verkäufern für eine weitere Kontroverse: Es verbot den Verkauf von Alkohol während der Spiele und brach damit ein vor dem Turnier gegebenes Versprechen.

“Ich war schon bei mehreren Weltmeisterschaften dabei, und es ist das erste Mal, dass nicht einmal in den Stadien Bier ausgeschenkt wird. Das finde ich ein bisschen schade, denn für mich gehören Bier und Fußball einfach zusammen”, so Portugal-Fan Federico Ferraz.

Budweiser fordert deshalb von der FIFA, dem internationalen Fußballverband, 47 Millionen Dollar. Budweiser ist seit 1986 Sponsor von FIFA-Wettbewerben und hatte noch nie mit Verkaufsbeschränkungen zu kämpfen.

Die Versuche, den Islam ins Rampenlicht zu rücken, litten ebenfalls unter der Aufmerksamkeit, die Korruptionsvorwürfen und Katars Infrastrukturmängeln zuteilwurde. Obwohl Katar bis zu 300 Milliarden Euro in die Infrastruktur und den Bau von Stadien investiert hat, hat es kaum die Versprechen gehalten, die es bei der Vergabe der Spiele im Jahr 2010 gemacht hat. Die Besucher beschwerten sich über die Qualität der Fan-Dörfer und -Zonen, da es keine angemessenen oder erschwinglichen Hotels gab. Viele Fans übernachteten in Zelten oder Schiffscontainern, denen es an angemessenen sanitären Anlagen mangelte.

Medienberichten zufolge starben mehr als 6 500 ausländische Arbeiter während des Baus der neuen Einrichtungen, was die Organisation des Turniers durch Katar weiter in Verruf brachte. Andere Arbeiter wurden unter entsetzlichen Bedingungen in unhygienischen Unterkünften eingepfercht. Viele wurden von der katarischen Regierung nicht bezahlt.

Statt des erhofften Lobes wurde Katar vom Europäischen Parlament wegen seiner Menschenrechtsverletzungen gegenüber Frauen und Homosexuellen offiziell verurteilt. “Internationale Sportereignisse”, heißt es in einer Resolution des Parlaments, “sollten nicht an Länder vergeben werden, in denen die Grund- und Menschenrechte verletzt werden und in denen systematische geschlechtsspezifische Gewalt vorherrscht”.

Darüber hinaus forderte die Resolution “eine umfassende Untersuchung des Todes von Wanderarbeitern im Land und die Entschädigung der Familien in Fällen, in denen die Arbeiter aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen gestorben sind”.

Katar erlitt ein weiteres blaues Auge, als sich mehrere bekannte Sänger weigerten, bei der WM aufzutreten. Dua Lipa lehnte es ab, die Idee überhaupt in Betracht zu ziehen. “Ich freue mich darauf, Katar zu besuchen, wenn es alle Menschenrechtsversprechen erfüllt hat, die es gemacht hat, als es das Recht erhielt, die Fußballweltmeisterschaft auszurichten”, sagte sie. Rod Stewart erklärte, er habe ein Angebot über 1 Million Dollar für einen Auftritt abgelehnt.

Unsportliches Verhalten

Marokko zog als erstes afrikanisches Land in das Halbfinale ein, besiegte Portugal und Kanada und zog mit Spanien gleich. Die katarischen Medien feierten die marokkanischen Siege als “Sieg für alle Araber”. Der Herrscher von Katar, Prinz Tamim Bin Hamad, brach das Protokoll, indem er eine Fahne schwenkte und den Sieg der marokkanischen Mannschaft über Spanien bejubelte.

Marokkanische Fans skandierten während des Spiels gegen Frankreich am 14. Dezember die islamische Schahada – “Es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Prophet”. Frankreich gewann 2:0.

Nach dem Finale am Sonntag legte Prinz Tamim dem argentinischen Kapitän Lionel Messi den traditionellen arabischen Bisht-Umhang um, bevor er den Pokal in die Höhe reckte. Katarische und islamistische Journalisten, darunter Ahmed Mansour von der Muslimbruderschaft, begrüßten dies als einen Sieg der arabischen Traditionen.

Trotz der gebrochenen Versprechen und der eklatanten Menschenrechtsverletzungen während der WM gibt es in Katar immer noch Apologeten, die versuchen, die Menschen davon zu überzeugen, das Land sei den Idealen der Spiele gerecht geworden.

Die Weltmeisterschaft sei “der Beweis dafür, wie Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land mit Reformen erreichen kann, die die arabische Welt inspiriert haben”, sagte die griechische Europaabgeordnete Eva Kaili letzten Monat.

Kaili wurde letzte Woche von belgischen Ermittlern angeklagt, Schmiergelder von Katar erhalten zu haben. In ihrer Wohnung sollen 150.000 Euro gefunden worden sein. Sie wurde aus dem Europäischen Parlament ausgeschlossen und ihr Vermögen von den griechischen Behörden eingefroren. Belgien und das Europäische Parlament haben diese Woche Ermittlungen gegen weitere Abgeordnete eingeleitet, die möglicherweise von der katarischen Regierung bestochen wurden.

Katar verurteilte die belgischen und europäischen Ermittlungen am Sonntag und warnte, sie könnten die diplomatischen Beziehungen und die Erdgaslieferungen Katars an diese Länder beeinträchtigen.

Das katarische Regime hatte sich durch Bestechung die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft erkauft und damit einen internationalen Skandal ausgelöst, der den ehemaligen FIFA-Chef Sepp Blatter 2015 zum Rücktritt zwang. Ein Jahr zuvor hatte er die Entscheidung, die Ausrichtung der WM an Katar zu geben, noch als “Fehler” bezeichnet.

Die Ironie des Versuchs, den Besuchern in Katar die Toleranz des Islams zu erklären und gleichzeitig ihr Verhalten während der WM einzuschränken, war sowohl für Besucher als auch für Beobachter offensichtlich. Die katarische Propaganda hatte verkündet, die Weltmeisterschaft werde koloniale Mythen über Araber und den Islam beseitigen. Letztendlich haben die Organisatoren diese Mythen jedoch möglicherweise noch verstärkt, indem sie die Besucher in unsauberen Zelten mit schmutzigem Wasser unterbrachten, ihnen die Freiheit verweigerten, Alkohol zu trinken und sich nach Belieben zu kleiden, und sogar einen Verhaltenskodex durchsetzten.

Dies alles geschah, während katarische Amtsträger offen Journalisten verhafteten und schikanierten, was sicherlich keine ideale Werbung für den Tourismus ist.

Die Austragung einer islamisierten Version der Fußballweltmeisterschaft warf nur ein Schlaglicht auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in Katar. Sie hat dem kleinen Golfstaat sicherlich nicht geholfen, sein Image in der Welt zu verbessern.

*Hany Ghoraba ist ein ägyptischer Schriftsteller, politischer und Antiterrorismus-Analyst bei Al Ahram Weekly und Autor von „Egypt’s Arab Spring: The Long and Winding Road to Democracy“ und schreibt regelmäßig für die BBC. Er ist ein Senior Fellow des Investigative Project on Terrorism.

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