
An einer Wand in der alten Synagoge Abuhav in Safed beispielsweise oder auf einem Ziertuch aus dem 19. Jahrhundert, mit dem das Zopfbrot am Schabbat bedeckt wird. Auch in einer Haggada zu Pessach aus dem Mittelalter ist die Moschee auf dem jüdischen Tempelberg abgebildet. Was hat Juden vor der Staatsgründung Israels dazu bewegt, islamische Symbole oder Moscheen abzubilden?
Es handelt sich hier um ein Phänomen, was die meisten in unserer heutigen Zeit nicht nachvollziehen können. Elisaf Tel Or, der für die Leitung und Entwicklung des Schulsystem Meitarim verantwortlich ist, in dem knapp 14.000 säkulare und religiöse Kinder in 137 Schulen zusammen lernen, hat sich kürzlich dieses Themas angenommen und darüber geschrieben. Er berichtet von der Synagoge in Safed aus dem 15. Jahrhundert, in deren zentralen Kuppel über den heiligen Thoraschrein einst in wunderschönen Farben der Felsendom abgebildet war. Juden, die am Schabbat aus der Thorarolle lasen und sich gen Jerusalem beugten, haben also immer den Felsendom vor Augen gehabt. Man möchte meinen, dass in einer Synagoge ein Gemälde des jüdischen Tempels auf Wänden oder Wandteppichen abgebildet sei, doch es war tatsächlich die Moschee auf dem Tempelplatz. Unterhalb des Gemäldes oder auf dem gestickten Ziertuch stand dann „Platz des Tempels“ oder einfach „Tempel“.
Als die Abuhav Synagoge renoviert wurde, wurde der Felsendom in der Kuppel mit neuen Motiven übermalt. Die Moscheen auf dem jüdischen Tempelplatz in Jerusalem symbolisieren in unserer Zeit einen heißen Konflikt, das war vor hunderten Jahren nicht der Fall. Auch haben damalige Muslime die Wahrheit nicht verleumdet, dass nämlich vor dem Felsendom einst der jüdische Tempel Salomos dort stand. Dies ist aus islamischen Schriften und Quellen ersichtlich. Und es erklärt wiederum die Freiheit, weshalb Juden kein Problem hatten, den moslemischen Felsendom in ihren jüdischen heiligen Stätten und auf Gegenständen zu verewigen.
Kunstwissenschaftler sind der Meinung, dass es die Christen waren, die einst damit begannen, auf den von ihnen angefertigten Landkarten den Felsendom in Jerusalem abzubilden, mit der Bezeichnung „Tempel unseres Herrn“, also der Tempel Jesu. Die berühmte Landkarte des franziskanischen Mönchs aus dem Jahr 1590 ist das beste Beispiel, es gibt aber auch viele weitere Landkarten dieser Art.

Ein anderer Erklärungsversuch geht davon aus, dass man versucht hat, Vergangenheit und Gegenwart zu vereinen. Das heißt, mittelalterliche Künstler haben historische Werke und Symbole gemalt, die die Zeit widerspiegeln und nicht unbedingt die historische Wahrheit. Diese Maler haben naive Gemälde geschaffen, die die historische Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart völlig außer Acht lassen. Für die damaligen Künstler machte ihre Gegenwart das aus, was in der Vergangenheit war.
Tel-Or sieht einiges anders: „Diese Interpretation ist für Werke aus dem späten Mittelalter und dem Beginn der Neuzeit zutreffend, aber erklärt nicht, weshalb jüdische Künstler im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert den Felsendom in ihre Werke einbezogen haben“. Man betrachte nur die verschiedenen Werke des jüdischen Künstlers Moshe Ben Yitzhak Mizrachi, der 1870 in Teheran geboren wurde und 20 Jahre später nach Israel einwanderte. „Zu dieser Zeit war sich die Kunst ihrer Wahl bereits bewusst, und Maler entwarfen keine Gemälde, die der Gegenwart entsprachen, sondern strebten nach objektiver historischer Wahrheit. Sie hatten also schon längst verstanden, dass es keinen Sinn ergibt, den Felsendom als jüdischen Tempel darzustellen“, unterstrich Tel Or.

Der Idee liegt auch eine theologische Auffassung zugrunde, dass „der heilige Ort“ tatsächlich ein Ausdruck ist, der das Gefühl menschlicher Kontrolle und Besatzung in dieser Welt zerbricht. Ein heiliger Ort ist ein Ort, der sich außerhalb der menschlichen Kontrolle befindet und eine Selbsterklärung der Menschheit ist. Dies lässt uns auch den Hohepriester verstehen, der nur einmal im Jahr das Allerheiligste betrat. Das ist auch der Grund, warum Mose auf dem Berg Sinai Gott im Nebel antraf, in dem alle Grenzen und das Selbstbewusstsein verschwimmen.
Das Gemälde des Felsendoms als „Stätte des Tempels“ war für Tel Or wie ein Zeichen. „Nicht wir beherrschen die Welt und auch nicht andere Religionen“. Sie komme laut Tel Or in dieser Komplexität zum Ausdruck, die das jüdisch-moslemische Paradox vorstellt. „Diese heilige Stätte in Jerusalem steht über dem Menschen und sogar über der jüdischen oder arabischen Nationalität. Zwei Nationen beanspruchen Jerusalem? Die Lösung besteht nicht darin, Jerusalem zu teilen, denn Jerusalem gehört zuerst Gott. Jerusalem ist ein Ex-Territorium, es ist Eigentum Gottes, es ist nicht Eigentum des Menschen.“

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