Zum Abschied rote Rosen

In Galiläa trauert man um einen Künstler, der in seinem kurzen Leben viele Menschen berührt hat.

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Foto: AMEEN MICHAEL

 

Ayman war einer, der es international geschafft hatte, ein Talent, dem es gelungen war, die unsichtbaren Fesseln einer Gesellschaft zu durchbrechen, die es jungen Menschen oft unmöglich macht, ihre Träume zu verwirklichen und genau das Leben zu leben, das ihnen zusagt. Es sind junge Menschen wie er, die wie ein Eisbrecher voranpreschen und damit Anderen hinter ihnen den Weg bahnen. Als er an einem Mittwochmorgen im Mai auf dem Meeresgrund nahe Atlit gefunden wurde, brach nicht nur für seine Familie eine Welt zusammen.

Zuvor hatten dutzende Freiwillige und Freunde tagelang an der Küste Israels nach ihm gesucht. Er war mit Freunden an den Strand gefahren, um dort über Nacht zu bleiben. Aufgrund des rauen Windes hatten die Freunde vereinbart, nicht ins Wasser zu gehen. Morgens schien das Wetter besser, man ging kurz hinein, dann sei eine Freundin fast von der Strömung mitgerissen worden, heißt es. Ayman drückte sie noch Richtung Strand und ward danach nicht mehr gesehen.

Der Bürgermeister von Kfar Yassif, der Stadt in der Ayman aufwuchs, schaltete sich ein. Er und arabische Knessetabgeordnete appellierten an die Behörden, die Suche auszuweiten und zu intensivieren. Feuerwerke zum moslemischen Eid-al-Fitr, dem Fest des Fastenbrechens am Ende des Ramadans, blieben aus. Niemandem war zum Feiern zumute.

Ayman Safieh, geboren 1991, hatte das Glück, in einer relativ liberalen Familie aufzuwachsen, in der man seinen Wunsch, Balletttänzer zu werden, unterstützte. Das war bei weitem nicht gewöhnlich. Er war der erste und einzige Junge in der Ballettschule im Dorf, übrigens das erste arabische Tanzstudio dieser Art in ganz Israel.

In einem Interview von 2012 mit der englischen BBC berichtete Ayman von dem Gegenwind, der ihm als junger Mensch besonders aus Richtung religiöser Menschen entgegenschlug: „Sie sagen, der Balletttanz sei gegen den Islam. Ein Mann solle keine Strumpfhosen tragen und oben ohne auf einer Bühne tanzen, das sei haram, verboten“. Doch der Spott schien an ihm abzuperlen. Und nicht nur an ihm, als er Jahre später seine alte Ballettschule in Kfar Yassif besuchte, waren dort bereits mehrere junge Tänzer, die ihm für seinen Mut dankten und seinen Fußstapfen folgten.

2009 bezeichnete ihn Yehudit Arnon, die Gründerin der Kibbutz Dance Company, bei der Ayman tanzte, in einem Interview mit der Haaretz als den „Billy Elliot von Kfar Yassif“. Arnon hatte die Kibbutz Dance School Gaaton ins Leben gerufen, weil sie Araber und Juden einander näher bringen wollte.

Ayman war ein derart talentierter Tänzer, dass er von der Gaaton Tanzschule direkt zu einem Studium an die renommierte Rambert Tanzakademie in London eingeladen wurde, Stipendium inklusive. Nach Abschluss seines Studiums mit Auszeichnung nahm er ein Engagement bei CATS in London an und tanzte im belgischen „les ballets C de la B”. Sein Erfolg führte ihn um die ganze Welt.

Die Mutter von Ayman vor einem Bild des Tänzers, das von Freunden im Dorf aufgestellt wurde

Ich sitze bei Aymans Schwester Ishtiyaq (24) im Zimmer. Die Luft steht. Es ist ein kleiner, abgedunkelter Raum in einem Haus mitten im Dorf, draussen sitzen die Frauen der Familie kreisförmig auf Plastikstühlen im Hof, um Trauergäste zu empfangen. (Traditionellerweise sitzen Frauen und Männer getrennt.) Ihre Augen leuchten auf, als sie von ihrem großen Bruder erzählt. Als ich sie frage, warum er trotz weltweiter Erfolge vor anderthalb Jahren zurück nach Israel gekommen ist, sagt sie mir: „Er wollte den Menschen das geben, was er kannte, er wollte nicht nur tanzen und weltweit performen, sondern auch etwas in unserer Gesellschaft verändern. Und das hat er.“ Sie berichtet mir von der Alaml Organisation für zeitgenössischen Tanz in Nazareth, wo Ayman jungen Leuten das Tanzen beibrachte und Talente förderte. Sie erzählt, wie am Tag zuvor bei seiner Beerdigung tausende Menschen aus ganz Israel kamen, um ihm das letzte Geleit zu geben, begleitet von einem Trommelzug, roten Rosen und weißen Luftballons (siehe Bilder). Unter den Trauergästen Politker wie der ehemalige Knessetabgeordnete Muhammad Barakeh. Selbst der neue israelische Kulturminister Hilli Tropper, nebenbei bemerkt ein religiöser Jude, meldete sich zu Wort: „Aymans Tod ist ein großer Verlust für die Tanzwelt“. Safiyeh habe weltweit Beachtung erfahren, kommentierte Tropper in der Presse. Ob eine derart beachtliche Karriere in einem arabischen Land im Nahen Osten für einen moslemischen Tänzer, der dazu noch offen seine Homosexualität auslebte, möglich gewesen wäre, bezweifeln viele Menschen in Israel.

Beerdigungs Zeremonie
Abschied von Ayman

Während die Frauen im Hof des Hauses trauern, hat 300 Meter entfernt die griechisch-orthodoxe Kirche ihre Türen für die Männer der moslemischen Familie geöffnet. Eine großartige Geste. „Durch Aymans Verlust können wir lernen, wie wir zusammenwachsen und was wir einander geben können. Wir müssen einander helfen. Ich glaube, es geschieht nichts ohne Grund. Sein Tod könnte die Gesellschaft aufwecken und ich kann bereits sehen, wie sie wach werden und sich ändern. Das musst du schreiben, bitte schreib das“, bittet mich seine Schwester.

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